Defekt
der Bar, die nur aus einem mit Palmwedeln gedeckten Dach und einem
zerkratzten Holztresen mit acht Barhockern besteht, und essen das Tagesgericht,
Spareribs vom Grill, Hackbraten oder Steakpfanne. Dazu trinken sie. Das Essen
ist gut und hausgemacht. Hog hat eine Schwäche für den Trucker-Burger, der nur
drei Dollar fünfundneunzig kostet. Ein überbackenes Käsesandwich gibt es für
drei Dollar fünfundzwanzig. Billige, widerliche Frauen. Mit solchen Frauen
nimmt es oft ein schlimmes Ende. Sie haben es verdient.
Sie wollen es so.
Das erzählen sie allen.
„Ich hätte gern ein überbackenes Käsesandwich zum
Mitnehmen“, sagt Hog zu dem Mann hinter der Theke. „Und einen Trucker-Burger
zum Hier-Essen.“
Der Mann hat einen dicken Bauch und trägt eine
schmutzige weiße Schürze. Er ist damit beschäftigt, die Kronkorken von
tropfenden Bierflaschen zu entfernen, die er in mit Eis gefüllten Wannen
aufbewahrt. Obwohl der dicke Mann Hog schon öfter bedient hat, scheint er sich
nie an ihn zu erinnern.
„Soll ich Ihnen das Sandwich gleichzeitig mit dem
Hamburger bringen?“, fragt er und schiebt einem Trucker und seiner
Begleiterin, beide schon ziemlich betrunken, zwei Flaschen zu.
„Solange das Käsesandwich zum Mitnehmen eingepackt
ist.“
„Ich habe gefragt, ob Sie die beiden Bestellungen
gleichzeitig möchten.“ Er klingt nicht gereizt, sondern eher gleichgültig. „Das
wäre schön.“
„Was wollen Sie trinken?“, fragt der dicke Mann und
öffnet ein weiteres Bier. „Stilles Wasser.“
„Was zum Teufel soll denn das sein?“, fragt der
betrunkene Trucker laut. Seine Begleiterin kichert und presst ihre Brust gegen
seinen gewaltigen tätowierten Arm. „Gibt es vielleicht auch lautes?“
„Nur stilles Wasser“, wiederholt Hog, an den Mann
hinter dem Tresen gewandt.
„Stille Wasser gründen tief, was, Baby?“, lallt die
betrunkene Freundin des betrunkenen Truckers und schlingt die pummeligen, in engen
Shorts steckenden Beine um den Barhocker. Ihr dicker Busen quillt aus dem tief
ausgeschnittenen Oberteil.
„Und wohin willst du?“, fragt die betrunkene
Freundin.
„Nach Norden“, erwidert er. „Irgendwann.“
„Sei aber vorsichtig, wenn du ganz allein in der
Gegend rumfährst“, erwidert die Frau mit schleppender Stimme. „Da treiben sich
alle möglichen Spinner rum.“
22
„Haben wir eine Vermutung, wo er steckt?“, erkundigt
sich Scarpetta bei Rose.
„Er ist weder in seinem Büro, noch geht er ans
Mobiltelefon. Als ich nach der Dienstbesprechung mit ihm geredet und ihm gesagt
habe, dass Sie ihn sehen wollen, meinte er, er müsse noch rasch etwas erledigen
und sei gleich zurück“, antwortet Rose. „Das war vor anderthalb Stunden.“
„Und wann müssen wir zum Flughafen?“ Scarpetta
schaut aus dem Fenster und betrachtet die Palmen, die sich im böigen Wind
biegen. Dabei spielt sie wieder einmal mit dem Gedanken, Marino
rauszuschmeißen. „Bestimmt kriegen wir ein schlimmes Gewitter. Das steht fest.
Jedenfalls werde ich nicht herumsitzen und auf ihn warten, sondern einfach
losfahren.“
„Ihr Flug geht aber erst um halb sieben“, erwidert
Rose und reicht Scarpetta einige Telefonnotizen.
„Warum mache ich mir überhaupt noch die Mühe, mit
ihm zu reden?“ Scarpetta sieht die Zettel durch.
Rose betrachtet sie mit ihrem typischen Rose-Blick.
Still und nachdenklich steht sie in der Tür. Ihr weißes Haar trägt sie
zurückgekämmt und zu einem französischen Knoten hochgesteckt. Ihr graues
Leinenkostüm ist zwar aus der Mode, aber elegant und frisch gebügelt. Die
grauen Pumps aus Eidechsenleder sehen nach zehn Jahren noch aus wie neu.
„Erst wollen Sie mit ihm reden und dann doch wieder
nicht. Entscheiden Sie sich“, sagt Rose.
„Ich glaube, ich sollte losfahren.“
„Ich habe Sie nicht gefragt, was Sie jetzt tun
wollen, sondern wie Ihre Pläne für Marino aussehen.“
„Keine Ahnung, was ich mit ihm anfangen soll. Immer
wieder bin ich versucht, ihn rauszuwerfen, aber ich würde lieber selbst
kündigen, als das zu tun.“
„Sie könnten Chefpathologin werden“, hält Rose ihr
entgegen. „Wenn Sie einverstanden wären, würde man Dr. Bronson drängen, in den
Ruhestand zu gehen. Vielleicht sollten Sie sich das noch mal ernsthaft
überlegen.“
Rose weiß genau, was sie tut. Es ist ihre
Spezialität, Scarpetta mit Unschuldsmiene das genaue Gegenteil von dem
vorzuschlagen, was sie eigentlich will. Das Resultat ist vorhersehbar.
„Nein, danke“,
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