Defekt
mit dem Motorrad unterwegs.“
„Dann gehören Sie zu den wenigen vernünftigen
Menschen hier. Schauen Sie nur mal aus dem Fenster. Alle fahren in Shorts und
T-Shirts und ohne Helm. Manche sogar in Flipflops.“
„Sie müssen Larry sein.“
Überrascht blickt er auf. „Waren sie schon mal
hier?“, wundert er sich. „Ich erinnere mich nämlich nicht an Sie, und ich habe
eigentlich ein gutes Personengedächtnis.“
„Ich möchte mit Ihnen über Florrie und Helen Quincy
sprechen“, entgegnet Lucy. „Aber es wäre mir recht, wenn Sie vorher die Tür
abschließen.“
Die Harley-Davidson Screamin' Eagle Deuce mit den
auf blauen Lack und Chrom gemalten Flammen parkt in einer abgelegenen Ecke des
Dozentenparkplatzes, und je mehr sich Marino seinem Motorrad nähert, desto
schneller läuft er.
„Verdammte Scheiße!“ Er fängt an zu rennen.
Sein lautes Gebrüll schreckt Link, den Hausmeister,
auf, der gerade das Unkraut in einem Blumenbeet jätet. Link hält in seiner
Arbeit inne und fährt hoch. „Ist was passiert?“
„Scheiße, Scheiße, Scheiße!“, ruft Marino.
Der Vorderreifen seiner neuen Harley ist platt, und
die schimmernde Chromfelge berührt den Asphalt. Marino geht in die Hocke, um
den Reifen zu begutachten, und hält in heller Wut Ausschau nach dem spitzen
Gegenstand, über den er heute Morgen auf dem Weg zur Arbeit möglicherweise
gefahren sein könnte. Als er das Motorrad hin und her schiebt, entdeckt er das
Loch. Es ist etwa zwei Millimeter groß und sieht aus wie mit einem scharfen und
unnachgiebigen Werkzeug gebohrt - vielleicht mit einem Messer.
Oder mit einem Skalpell aus Edelstahl. Er blickt
sich nach Joe Arnos um.
„Ja, das ist mir auch schon aufgefallen“, sagt Link,
der herankommt und sich die Hände an seinem blauen Overall abwischt.
„Nett, dass Sie mir Bescheid gesagt haben“, erwidert
Marino zornig und durchwühlt erbost die Satteltasche nach dem Flickzeug. Dabei
denkt er an Joe Arnos, und seine Wut steigert sich von Minute zu Minute.
„Anscheinend haben Sie sich einen Nagel
eingefahren“, mutmaßt Link und bückt sich, um den Schaden gründlich zu
begutachten. „Sieht ziemlich übel aus.“
„Haben Sie beobachtet, dass sich jemand um mein Bike
herumgedrückt hat? Wo zum Teufel ist denn nur das Flickzeug?“
„Ich war den ganzen Tag hier und hab keine Menschenseele
in der Nähe Ihres Motorrads bemerkt. Tolle Maschine. Vierzehnhundert Kubik,
oder? Ich hatte mal eine Springer, bis so ein Schwachkopf mich geschnitten hat
und ich ihm über die Motorhaube geflogen bin. Heute früh habe ich so gegen zehn
mit den Blumenbeeten angefangen. Da war der Reifen schon platt.“
Marino rechnet zurück. Er ist zwischen Viertel nach
neun und halb zehn hier angekommen.
„Bei so einem Loch wäre der Reifen so schnell platt
gewesen, dass ich es niemals bis auf den Parkplatz geschafft hätte. Und als ich
angehalten habe, um die Donuts zu kaufen, war alles noch in bester Ordnung“,
sagt er. „Also muss es passiert sein, nachdem ich sie abgestellt hatte.“
„Das gefällt mir aber gar nicht.“
Marino schaut sich um und denkt an Joe Arnos. Wenn
dieser Kerl sein Motorrad angefasst hat, bringt er ihn um. Dann kann der Typ
sein Testament machen.
„Eine unangenehme Vorstellung“, fährt Link fort.
„Dass jemand einfach so frech ist, mitten am Tag hier hereinzuspazieren und
Ihnen den Reifen aufzustechen. Falls es sich so abgespielt hat.“
„Verdammt, wo ist es?“, schimpft Marino und kramt in
der anderen Satteltasche herum. „Haben Sie vielleicht Flickzeug hier? Scheiße!
So ein Mist!“ Er hört auf zu wühlen. „Wahrscheinlich würde es bei einem so
großen Loch sowieso nichts nützen. Verdammt!“
Er wird den Reifen wechseln müssen. Im Hangar stehen
Ersatzreifen.
„Haben Sie vielleicht Joe Arnos gesehen? Haben Sie
irgendwo hier in der Nähe seine fiese Fresse bemerkt?“
„Nein.“
„Oder einen der Lehrgangsteilnehmer?“ Die
Lehrgangsteilnehmer hassen ihn. Und zwar einer wie der andere.
„Nein“, antwortet Link. „Es wäre mir bestimmt
aufgefallen, wenn jemand den Parkplatz betreten und an Ihrem Motorrad oder
einem der Autos rumgefingert hätte.“
„Wirklich niemand?“, drängt Marino, und allmählich
wächst in ihm der Verdacht, dass Link vielleicht selbst die Hände im Spiel hat.
Vermutlich hat Marino keinen einzigen Freund an der
Akademie. Und bestimmt beneidet ihn die halbe Welt um seine veredelte Harley.
Jedenfalls glotzen die Leute das
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