Defekt
sprechen.
„Nein, nicht Eva. Sie schreibt sich ohne >a<„,
sagt Reba.
„Ev oder Eve?“
„Nur Ev wie in Evelyn, sie heißt einfach nur Ev.
Ohne >e< oder >a<. Nur Ev.“
Scarpetta schreibt „Ev“ in ihr schwarzes Notizbuch. Ein seltsamer Name, denkt sie. Sie starrt auf den Kanal. Dank des Sonnenlichts
hat er inzwischen die Farbe von starkem Tee. Ev und Kristin Christian. Seltsame
Namen von zwei gläubigen Frauen, die sich einfach in Luft aufgelöst haben. Dann
verschwindet die Sonne wieder hinter einer Wolke, und das Wasser verfärbt sich
dunkel.
„Sind Ev und Kristin Christian ihre wirklichen
Namen?“, fragt Scarpetta. „Können wir sicher sein, dass sie nicht falsch sind?
Vielleicht haben sie sie ja irgendwann geändert, damit sie religiöser klingen.“
Sie starrt wieder über das Wasser auf die Häuser, die aussehen wie mit
Pastellkreide gezeichnet.
Eine Gestalt in dunkler Hose und weißem Hemd betritt
einen Garten, möglicherweise den von Mrs. Simister.
„Soweit wir informiert sind, sind es ihre richtigen
Namen“, antwortet Reba und schaut in dieselbe Richtung wie Scarpetta. „Überall
wimmelt es von diesen verdammten Zitrusbrand-Kontrolleuren. Im Grunde genommen
geht es doch nur darum, zu verhindern, dass die Leute selbst Zitrusfrüchte
anbauen, damit sie sie im Laden kaufen müssen.“
„Das stimmt nicht ganz. Der Zitrusbrand ist eine
schlimme Plage. Wenn man nichts dagegen unternimmt, wird es bald in gar keinem
Garten mehr Zitrusfrüchte geben.“
„Es ist eine Verschwörung. Ich habe verfolgt, was
die Kommentatoren im Radio dazu gesagt haben. Kennen Sie die Sendung von Dr.
Seif? Sie sollten sich mal anhören, was die davon hält.“
Scarpetta sieht sich Dr. Selfs Sendung nur an, wenn
es sich gar nicht vermeiden lässt. Sie beobachtet, wie die Gestalt auf der
anderen Seite des Kanals sich ins Gras kauert, in einer schwarzen Tasche wühlt
und etwas herausholt.
„Ev Christian ist Pastorin oder Priesterin, oder wie
man das sonst nennt, in einer kleinen Kirche, so einer Art Sekte ... Ich muss
es Ihnen vorlesen, weil der Name zu lang ist, um ihn sich zu merken“, sagt Reba
und blättert in ihrem Notizblock. „Die Wahren Töchter des Göttlichen Siegels.“
„Von dieser Glaubensrichtung habe ich auch noch nie
gehört“, spöttelt Scarpetta, während sie sich den Namen notiert. „Und Kristin?
Was macht sie?“
Der Kontrolleur erhebt sich, schraubt ein Gerät
zusammen, das wie ein Obstpflücker aussieht, hält die Stange hoch in den Baum
und holt eine Grapefruit herunter, die ins Gras fällt.
„Kristin arbeitet ebenfalls in der Kirche, und zwar
als Assistentin, die während der Gottesdienste die Lesungen und Meditationen
abhält. Die Eltern der Kinder kamen vor etwa einem Jahr bei einem Unfall ums
Leben. Auf so einer Vespa.“
„Wo?“
„Südafrika.“
„Und woher haben Sie diese Informationen?“,
erkundigt sich Scarpetta.
„Von einem Mitglied ihrer Kirche.“
„Liegt Ihnen ein Unfallbericht vor?“
„Wie ich schon sagte, ist es in Südafrika passiert“,
entgegnet Detective Wagner. „Wir versuchen, ihn aufzutreiben.“
Scarpetta überlegt immer noch, ob sie ihr von dem
Besorgnis erregenden Anruf von Hog erzählen soll.
„Wie heißen denn die Jungen?“, will sie wissen.
„David und Tony Luck. Ironie des Schicksals, wenn
Sie mich fragen. Luck - Glück.“
„Arbeiten die südafrikanischen Behörden nicht mit
Ihnen zusammen? Wo in Südafrika ist es denn geschehen?“
„Kapstadt.“
„Und die Schwestern kommen ebenfalls von dort?“
„Das hat man mir zumindest so gesagt. Nach dem Tod
der Eltern haben die Schwestern die Kinder aufgenommen. Ihre Kirche liegt etwa
zwanzig Minuten entfernt von hier am Davie Boulevard, gleich neben einer
alternativen Zoohandlung. Passt irgendwie.“
„Haben Sie sich schon mit dem Gerichtsmedizinischen
Institut in Kapstadt in Verbindung gesetzt?“
„Noch nicht.“
„Ich könnte Ihnen dabei behilflich sein.“
„Das wäre prima. Aber es passt wirklich. In dem
Laden kann man nämlich Spinnen, Skorpione, Giftfrösche und lauter kleine weiße
Ratten kaufen, um sie an die Schlangen zu verfüttern“, fährt Reba fort. „Genau
die richtige Gegend für Sekten und Spinner.“
„Ich habe noch nie erlaubt, dass in einem meiner
Läden Fotos gemacht werden, falls es sich nicht um eine polizeiliche Angelegenheit
handelt. Ich hatte nämlich einmal einen Einbruch, aber das ist schon eine Weile
her“, erklärt Larry, der noch immer
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