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Deichgrab

Deichgrab

Titel: Deichgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
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der versteckten Kornflasche. Dann verließ er sein Zimmer und ging hinüber in die Küche. Meike bereitete gerade das Mittagessen vor. Rosenkohl mit Schnitzel und Kartoffeln. Er ließ sich auf der Eckbank nieder.
    »Na Meike, ist Frank im Stall?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Er ist weg.«
    Broder verkniff sich die Frage nach dem wohin.
    »Hat Kalle denn schon angerufen«, fragte er stattdessen. Er versuchte, seine Stimme möglichst belanglos klingen zu lassen.
    Meike drehte sich zu ihm um. Ihr Blick wirkte ängstlich.
    »Nein, wieso?«
    Er fühlte sich in der Zwickmühle. Eigentlich hatte er erwartet, von ihr erfahren zu können, was denn Kalle wohl von Frank gewollt hatte. Was sollte er ihr nun sagen? Schließlich machte sie sich schon genug Sorgen. Das sah man nicht nur an den tiefen, dunklen Ringen unter ihren Augen.
    »Ach, ich glaube, er hatte wohl einen defekten Zaun gesehen und wollte Frank Bescheid geben«, log er deshalb.
    Er stand auf, bevor sie noch weitere Fragen stellen konnte.
    »Ruf mich, wenn das Essen auf dem Tisch steht.«
    Er ging hinunter auf den Hof. Durch den Kuhstall schlenderte er in den alten Pferdestall, dann hinüber in den Geräteschuppen. Er war schon lange nicht mehr hier gewesen. Ihm war kalt. Die Erinnerungen waren hier noch intensiver. Bilder wie Blitzlichter tauchten vor seinem inneren Auge auf. Flackerten auf, erloschen wieder. Er erschrak, als jemand hinter ihn trat und eine Hand auf seine Schulter legte.

     
    Der Besuch im Museum war sehr informativ gewesen. Tom trat auf den kleinen Bürgersteig in der Wasserreihe und hatte das Gefühl, der Heimat des Dichters ein Stück näher gekommen zu sein. Er glaubte zu verstehen, was Storm an der ›grauen Stadt am Meer‹ so geliebt hatte.
    Durch die kleine Gasse ging er hinüber zum Marktplatz. An einer Buchhandlung machte er kurz Halt und kaufte sich Storms gesammelte Werke. Mit den Büchern beladen ging er gut gelaunt zu seinem Wagen. Er hatte vor, wenn es Martin Schleier passte, morgen einen Ausflug nach Sylt zu unternehmen, um den alten Zeitungsreporter zu den Vorgängen von damals zu befragen.
    Er startete den Motor und saß in Gedanken schon im Zug nach Sylt. Als Schüler hatte er einmal einen Ausflug mit der Klasse dorthin unternommen. In Hörnum hatten sie sich die Sandvorspülungen angeschaut. Anschließend hatten sie im Meer gebadet.
    Er überlegte gerade, wie der Name der Lehrerin gewesen war, die diesen Ausflug mit ihnen gemacht hatte, als er plötzlich im Augenwinkel einen dunklen Schatten sah. Er trat voll auf die Bremse. Es gab einen lauten, dumpfen Schlag. Krampfhaft umklammerte er das Lenkrad, versuchte den Wagen in der Spur zu halten, aber das Auto geriet ins Schlingern. Tom riss das Lenkrad nach rechts. Die Räder blockierten. Er hatte kaum noch Kontrolle über den Wagen. Schweiß schoss aus allen seinen Poren, sein Puls raste. Er hielt das Lenkrad so fest, dass die Knöchel an seinen Händen weiß hervortraten. Der Wagen rutschte noch ein Stück, kam kurz vor dem Straßengraben zum Stehen.
    Tom ließ seinen Kopf auf das Lenkrad fallen. Erschöpft schloss er die Augen. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Er versuchte, langsam ein- und auszuatmen. Jemand öffnete die Tür seines Wagens.
    Als er aufblickte, sah er in zwei blaue, verängstigte Augen. Sie gehörten einer blonden Frau, die seinen Unfall beobachtet hatte, während sie ihm aus der Gegenrichtung in dem kleinen Waldstück entgegengekommen war.
    »Geht es Ihnen gut?«
    Sie half ihm beim Aussteigen. Seine Beine gaben nach, er zitterte. Sie führte ihn an die Leitplanke. Er setzte sich hin, lehnte seinen Rücken gegen die Planke.
    »Soll ich einen Notarzt rufen?«
    Ein stechender Schmerz durchfuhr ihn, reflexartig griff er an die kleine Platzwunde über seinem Auge. Sie hatte wieder angefangen zu bluten. Die blonde Frau holte einen Verbandskasten aus ihrem Wagen, drückte eine Kompresse dagegen. Dann rief sie die Polizei.
    Erst jetzt bemerkte Tom das tote Reh. Es lag völlig verdreht auf dem rechten Fahrstreifen, ein kleiner roter See hatte sich neben dem Kopf gebildet. Sein Wagen stand schräg auf dem Grünstreifen. Der Kotflügel war verbeult. Auf der Straße waren schwarze Bremsspuren zu sehen. Die anderen Wagen fuhren langsam an der Unfallstelle vorbei, jeder wollte sehen, was geschehen war. Schnell hatte sich eine lange Schlange gebildet.
    Die blonde Frau lächelte ihn an.
    »Machen Sie sich keine Vorwürfe. Da konnten Sie wirklich nicht mehr

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