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Deichgrab

Deichgrab

Titel: Deichgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
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»Sind Sie etwa bei der Polizei?«
    »Nein, ich habe eine Zeitlang bei Hannes Friedrichsen gelebt und interessiere mich für das, was damals passiert ist.«
    »Ich weiß aber nicht, ob ich Ihnen weiterhelfen kann«, versuchte Martin Schleier auszuweichen.
    »Ich denke schon. Kann ich Sie treffen?«
    »Passt es Ihnen morgen? Um drei Uhr in Westerland an der Musikmuschel?«
    Wahrscheinlich rechnete er damit, dass es Tom zu kurzfristig war.
    »Das passt mir sehr gut.«
    Sie verabschiedeten sich und legten auf. Für einen kurzen Augenblick überlegte Tom, ob er Marlene anrufen sollte. Aber was könnte er ihr sagen? Er verwarf den Gedanken, ging ins Bad, nahm eine Kopfschmerztablette und legte sich ins Bett.

17
    Als Tom früh am Morgen aufwachte, fühlte er sich besser. Er frühstückte kurz, dann wählte er die Nummer von Haie. Elke meldete sich nach dem dritten Klingeln. Als er seinen Namen nannte und nach Haie fragte, wurde ihre Stimme plötzlich abweisend. Kurz und abgehackt klangen ihre Worte:
    »Haie ist nicht da.«
    Sonst sagte sie nichts. Tom wunderte sich. Bei seinem Besuch war sie freundlich und sehr nett zu ihm gewesen. Was war passiert? Hatte er sie irgendwie verärgert? Er traute sich jedoch nicht, Elke danach zu fragen. Und da sie offensichtlich nicht mit ihm sprechen wollte, verabschiedete er sich und legte auf.
    Draußen schien die Sonne, aber es war sehr windig. Tom fuhr mit dem Wagen zum Bahnhof, parkte auf dem bewachten Parkplatz. Der Aufseher schaute ihn fragend an, als er den Schaden am Kotflügel sah. »Wildunfall«, erklärte Tom kurz und zuckte mit den Schultern. Er zahlte die Parkgebühr für den ganzen Tag und lief über den Vorplatz des Bahnhofs zum Fahrkartenschalter hinüber. Der nächste Zug fuhr in zwanzig Minuten, Tom löste eine Hin- und Rückfahrt. Dann ging er durch die Unterführung hinauf zum Bahnsteig.
    Der Zug war voll, jede Menge Tagestouristen waren unterwegs. Nach längerem Suchen fand er einen Fensterplatz. Er lehnte sich zurück und blickte hinaus. Er fuhr gerne Zug. Schon als Kind hatte er es geliebt, am Fenster zu sitzen und die Landschaft zu beobachten.
    Kurz nach dem ersten Halt sah er eine riesige Armee von Windrädern in der Ferne auftauchen. Hunderte mussten es sein. Der Wind ließ ihre Flügel nur so rasen. Der Anblick nahm Tom magisch gefangen.
    Wenig später erreichten sie auch schon den Hindenburgdamm. Es war Ebbe und Scharen von Austernfischern und Wattläufern bevölkerten den Meeresboden. In der Ferne konnte er bereits die Insel sehen. Ihn ergriff ein seltsames Gefühl. Erhaben lag die Insel vor ihm. Die Königin der Nordsee. Fremdartig und doch irgendwie heimisch. Er ließ die Insel und das, was sie mit sich brachte, auf sich zukommen.

     
    Elke hatte Tom nicht angelogen. Haie war wirklich nicht da gewesen. Früher als üblich hatte er das Haus verlassen, war auf sein Fahrrad gestiegen und Richtung Bundesstraße gefahren. In seiner Jackentasche befand sich der Schlüssel, den er Tom am Dienstag nicht zurückgegeben hatte.
    Er drückte den messingfarbenen Klingelknopf neben der blau-weißen Friesentür. Wenig später hörte er Schritte, dann wurde geöffnet. Sein Schwager, Elkes Bruder, schaute ihn überrascht an.
    »Was verschlägt denn dich um diese Zeit hierher?«
    »Ich wollte dich etwas Dringendes fragen.«
    Thomas trat einen Schritt aus der Tür und bat Haie herein. In der Küche saß Rieke, Thomas’ Frau, noch verschlafen am Frühstückstisch. Sie stand sofort auf, holte eine weitere Kaffeetasse und goss wie selbstverständlich einen Kaffee ein.
    Thomas schaute ihn erwartungsvoll an, nachdem sie am Frühstückstisch Platz genommen hatten. Haie holte den Schlüssel aus seiner Jackentasche und hielt ihn Thomas hin.
    »Hast du eine Ahnung, was das für ein Schlüssel sein könnte? Ich meine, vielleicht ein Schließfachschlüssel oder so etwas Ähnliches?«
    Thomas betrachtete den Schlüssel eine Weile.
    »Also von uns ist der auf jeden Fall nicht, wir haben gar keine Schließfächer hier.«
    Er überlegte. Haie wartete gespannt. Rieke blickte fragend zwischen den beiden hin und her.
    »Woher hast du ihn?«
    »Von einem Bekannten. Er hat ihn in einem Nachlass gefunden, weiß aber nichts damit anzufangen.«
    Haie sagte das betont gleichgültig, konnte den anderen jedoch nicht täuschen.
    »Sag bloß, er ist aus dem Nachlass von Hannes!«
    Haie nickte. Lügen war wohl zwecklos.
    »Was mischt du dich da ein? Wenn Elke das mitbekommt, du weißt doch, wie sehr sie

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