Deichgrab
zuzuhören. Gebannt starrte er auf den Bildschirm.
»Ich bin schwanger.«
Das saß. Franks Blick war zwar immer noch starr auf den Computer gerichtet, aber seine Gedanken wirbelten plötzlich in alle Richtungen. Meike wartete auf eine Reaktion, aber er saß wie versteinert auf seinem Stuhl. Seine Zigarette verglimmte, Asche fiel auf den Schreibtisch. Langsam drehte er sich um. Viele Jahre hatten sie bereits auf Nachwuchs gewartet. Sehnlich hatte er sich einen Sohn gewünscht, doch nach so vielen Jahren des vergeblichen Wartens hatte er vor einiger Zeit die Hoffnung aufgegeben. Und nun sollte er doch Vater werden? Ausgerechnet jetzt? Er schüttelte den Kopf. Meike blickte ihn unsicher an. Ihr Herz schlug bis zum Hals. Er konnte die pochende Halsschlagader unter der blassen Haut erkennen.
»Meike, momentan können wir uns das gar nicht leisten. Weißt du eigentlich, was so ein Kind kostet? Kleidung, Kinderwagen, Bettchen, eventuell ein neues Auto. Das ist einfach nicht drin.«
Frank wusste, dass jedes seiner Worte sie verletzte, aber er wollte einfach kein Kind mehr mit ihr. Er wollte frei sein und nicht schuften, damit das Plag zu essen hatte. Wo blieb dann sein Vergnügen?
Sie drehte sich wortlos um, verließ den Raum. Damit hatte Frank nicht gerechnet. Er blickte zurück auf den Bildschirm, auf dem ein weinender Smiley ihm ein ›Leider verloren‹ mitteilte. Er stand auf. Vermutlich hatte Meike sich ins Badezimmer geflüchtet. Vorsichtig klopfte er an die Tür. Keine Reaktion. Als er die Klinke hinunter drückte, öffnete sich wider Erwarten die Tür, doch das Bad war leer.
Er hörte Geräusche aus dem Schlafzimmer. Meike hatte einige Kleider auf das Bett geworfen, packte sie ordentlich in ihren großen Lederkoffer.
»Was tust du da?«
»Ich packe.«
Ich schlafe schlecht. Ich stehe nachts auf, sehe fern, versuche mich abzulenken. Nicht daran zu denken, was ich getan habe. Ich habe einen Menschen umgebracht.
Ich hatte mich im Recht gesehen. Mein ganzes Leben war zerstört. Da musste ich mich doch rächen, oder? Das muss man doch verstehen.
Es hatte lange gedauert, bis ich es begriffen, die Zusammenhänge verstanden hatte. Aber als ich das Geflecht aus jahrelangen Lügen und Täuschungen durchdrungen hatte, war mir klar geworden, dass er schuld daran gewesen war. Und nun ist er tot. Selbst schuld an seinem Tod. Er hätte mein Leben nicht zerstören sollen.
Anfangs hatte ich Erleichterung empfunden, Genugtuung. Selbst wenn mir sein verzerrtes Gesicht im Traum erschienen war, hatte ich im Schlaf noch schadenfroh gegrinst.
Das ist nun vorbei. Jetzt ist dieser Tom hierher ins Dorf gekommen, stellt neugierige Fragen, lässt mich schlecht schlafen.
16
Als Tom heimkam, war er erschöpft. Sein Kopf schmerzte, er fühlte sich schlapp und krank. Wahrscheinlich hatte er sich doch zuviel zugemutet. Es wäre besser gewesen, wenn er den Wagen hätte stehen lassen. Der Schreck steckte ihm doch in den Knochen. Er wollte nur noch die erforderlichen Telefonate führen und dann schlafen. Schlaf würde ihm sicher gut tun.
Zuerst wählte er die Nummer der Autovermietung. Eine freundliche Frauenstimme meldete sich. Tom schilderte den Unfall und gab den entstandenen Schaden durch. Man versicherte ihm, dass alles nur halb so schlimm sei und nannte ihm die Adresse der nächsten Vermietung, mit der ein Kooperationsvertrag bestand, und wo er den Wagen abgeben und ein neues Fahrzeug erhalten würde.
Er wählte erneut. Nach dem vierten Klingeln wurde abgehoben.
»Mein Name ist Tom Meissner. Könnte ich bitte Martin Schleier sprechen?«
»Für dich, Papa.«
»Ja, Martin Schleier?«
»Guten Abend Herr Schleier. Mein Name ist Tom Meissner, ich bin der Neffe von Hannes Friedrichsen. Ihr Schwager war so freundlich, mir Ihre Nummer zu geben. Ich soll Sie herzlich grüßen!«
»Ach, vom Fritz. Ja, das ist aber nett. Wie geht es ihm denn so?«
»Ganz gut! Ich würde Sie gerne treffen und Ihnen ein paar Fragen stellen zu der Gerichtsverhandlung, über die Sie damals berichtet haben.«
»Hm«, machte Martin Schleier, während er überlegte, ob er sich mit Tom treffen wollte. »Und Sie sind der Neffe von Hannes Friedrichsen?«
»Ja.«
»Und was genau wollen Sie von mir?« Martin Schleier klang immer noch skeptisch.
»Das würde ich gerne persönlich mit Ihnen besprechen. Wissen Sie, es gibt da noch ein paar Dinge die ich nicht verstehe.«
»Die gab es damals schon«, murmelte Martin Schleier nachdenklich vor sich hin.
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