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Deichgrab

Deichgrab

Titel: Deichgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
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Ufer, soll sie ans Land gestiegen sein und längs dem Tinnumer Damm und dem Tinnumer Kirchweg sich auf den Keitumer Kirchhof zubewegt haben. Kurz darauf soll ein Sylter hier in Hörnum ums Leben gekommen sein, und seine Leiche wurde auf demselben Weg heraufgebracht.«
    Tom blickte ihn verwundert an.
    »Eine Zeitlang habe ich mich viel mit alten Sagen und Märchen hier aus der Gegend beschäftigt.«
    »Glauben Sie an solche Überlieferungen?«
    »Sagen wir so, ich glaube zumindest, dass unser heutiges Leben zum Teil davon geprägt wurde. Ich meine, wo Grenzen zwischen Fiktion und Realität miteinander verschmelzen, wie das Meer mit dem Himmel. Wo die Menschen auch heute noch durch Tradition und Brauchtum so stark mit der Vergangenheit verwurzelt sind. Wo, wenn nicht hier, sollten diese Geschichten lebendig gewesen sein? Und egal, ob es den Klabautermann oder Nis Puk nun gab oder nicht, wichtig ist, das Leben der Menschen hier war durch diese Geschichten so stark beeinflusst, dass es uns heute noch fasziniert.«
    Tom nickte. Auch er verspürte immer wieder eine Art Zauber von diesen alten Geschichten ausgehen. Ein Zauber, der die Fiktion so real erscheinen ließ. Es schien geradezu unmöglich, sich dem Bann der Geschichten zu entziehen.
    Sie waren am Haus angekommen. Erst jetzt fiel Tom das kleine Wappen über der Haustür auf. ›Rüm hart, klaar kimming‹ stand in kleinen Buchstaben darauf geschrieben. ›Weites Herz, klarer Horizont‹. Tom liebte diese alten Sprichwörter. Brachten sie doch in kurzen, knappen Worten eine Wahrheit zutage, die mancher Verfasser in ganzen Romanen nicht zustande brachte. Im Heimatunterricht in der Schule hatten sie etliche auswendig gelernt. Nur einen brachte Tom auf die Schnelle noch zusammen: »Diar ön di Kual spütet, mut en salev apiit. – Wer in den Kohl spuckt, muss ihn selber aufessen.«

     
    Als Frank nach Hause kam, war es ungewöhnlich ruhig im Haus. Er hörte weder Meikes Radio aus der Küche spielen, noch ihr Geklapper mit dem Geschirr, das verkündete, dass das Abendessen in wenigen Minuten auf dem Tisch stehen würde. Ihm wurde bewusst, sie war tatsächlich gegangen.
    Er ging in die Küche und wunderte sich, dass sein Vater das Frühstücksgeschirr selbst weggeräumt hatte. Keine Tasse, kein Brettchen. Auf Zehenspitzen schlich er hinüber zum Zimmer seines Vaters, horchte an der Tür. Es war nichts zu hören. Er klopfte und öffnete vorsichtig die Tür. Das Zimmer war leer. Offensichtlich war er weggefahren, wahrscheinlich in den ›Deichgraf‹.
    Erleichtert schloss Frank die Tür. Das würde ihm auf jeden Fall für heute die Diskussion über Meikes Auszug ersparen.
    Im Flur zog er sein T-Shirt aus und ließ es achtlos auf den Boden fallen. Es folgte seine Jeans und als er an der Badezimmertür angekommen war, hatte er sich vollständig entkleidet. Er freute sich auf eine entspannende Dusche. Das warme Wasser würde alle seine Sorgen mit sich fortspülen, jedenfalls für kurze Zeit.
    Als er die Tür zum Bad öffnete, erschrak er. d er alte Mann saß zusammengesackt in der Badewanne, ein Arm hing leblos über den Wannenrand. Sein Gesicht wies eine leicht bläuliche Verfärbung auf. Instinktiv legte er seinen Zeigefinger an die Halsschlagader. Seine Fingerkuppe ertastete ein kaum spürbares Pochen. Dann hielt er sein Ohr ganz dicht vor das Gesicht seines Vaters. Er atmete, oder war der leichte Luftzug auf seiner Haut nur Wunschdenken?
    Er rannte hinüber zum Telefon, wählte die Nummer der Notrufzentrale. Ganz ruhig sagte er seinen Namen, die Adresse und dass er seinen Vater ohne Bewusstsein in der Badewanne gefunden hatte. Dann legte er auf.
    Zurück im Badezimmer versuchte er zunächst, den leblosen Körper aus dem kalten Badewasser zu ziehen. Zwecklos. Wie ein nasser Sack rutschte er ihm immer wieder die leicht schräge Wannenwand hinunter. Nach drei Versuchen gab Frank auf. Er schlug seinen Vater ins Gesicht, versuchte ihn aufzuwecken.
    »Vater, Vater. Komm schon!«
    Broder blieb jedoch ohne Bewusstsein. Die Haut an seinen Beinen bis hinauf zum Bauchnabel war verschrumpelt, so dass es aussah, als würde sie sich im nächsten Moment einfach ablösen. Frank sank neben der Wanne in die Knie.
    »Papa!«
    Schon wenige Minuten später fuhr der Krankenwagen mit Blaulicht auf den Hof. Frank waren die Minuten wie Stunden vorgekommen, kraftlos hatte er neben der Badewanne ausgeharrt. Jetzt sprang er auf, lief die Treppe hinunter.
    »Hierher, bitte kommen Sie schnell!«
    Die

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