Dein Auftritt Prinzessin
Feiertag. Dein Großvater hat mir das Armband geschenkt, weil er es außergewöhnlich schön fand - so außergewöhnlich schön wie mich.« Sie ließ die Hand wieder auf Rommels Kopf sinken. »Und so, chère Amelia, sollte ein Mann die Frau behandeln, die er liebt.«
Ich hatte nur einen Gedanken: armer Grandpère. Er konnte ja nicht ahnen, was für eine fiese Furie er sich mit Grandmère einhandelte, die als junge Frau (bevor sie sich die Brauen abrasieren und den Lidstrich tätowieren ließ) ein echter Schuss gewesen sein muss. Der schneidige, junge Thronerbe, der einmal mein Großvater werden würde, war vor lauter Verzückung wahrscheinlich wie ein Graffitisprayer im Scheinwerfer eines Streifenwagens erstarrt, als er am anderen Ende des Ballsaals diese fesche Debütantin erblickte... Wie hätte er auch wissen sollen, was ihm bevorstand?
Jahrzehnte voll fiesester Psychofolter und geschüttelter (nicht gerührter) Sidecars.
»Ich glaub nicht, dass ich so sein kann«, gestand ich Grandmère. »Außerdem will ich gar keinen Schmuck von Michael geschenkt bekommen. Mir genügt es schon, wenn er mit mir zum Abschlussball geht.«
»Das wird er ganz gewiss nicht tun«, sagte Grandmère düster. »Es sei denn, er muss befürchten, dass du auch noch die Angebote anderer junger Männer prüfst, die sich darum reißen, mit dir zum Ball zu gehen.«
»Grandmère!« Ich war echt geschockt. »Ich würde doch nie mit einem anderen als Michael zum Abschlussball gehen!
« Abgesehen davon wüsste ich nicht, welche anderen Jungs sich darum reißen sollten, mit mir zum Ball zu gehen. Aber das ist ein anderes Thema.
»Das darfst du ihn aber auf gar keinen Fall wissen lassen, Amelia«, schärfte mir Grandmère ein. »Der Trick besteht darin, ihn über deine wahren Gefühle immer im Zweifel zu lassen, ihn - wie ich schon sagte - an der kurzen Leine zu halten. Männer sind leidenschaftliche Jäger, musst du wissen. Wenn sie ihre Beute erlegt haben, verlieren sie das Interesse. Hier, lies das. Dann wirst du verstehen, wovon ich rede.«
Sie hielt mir ein Buch hin, das sie aus ihrer Gucci-Handtasche gezogen hatte. Ich starrte ungläubig auf den Titel.
»›Jane Eyre‹?« Ich traute meinen Augen kaum. »Das hab ich schon als Film gesehen und entschuldige bitte, aber der war stinklangweilig.«
»Film, pff!«, stieß Grandmère verächtlich hervor. »Lies dieses Buch, Amelia. Es sollte mich doch sehr wundern, wenn du daraus nicht das eine oder andere über die Beziehung zwischen Männern und Frauen lernen würdest.«
»Ähem, Grandmère!« Ich wusste nicht, wie ich ihr taktvoll beibringen sollte, dass sie ja wohl total von vorgestern ist. »Ich glaub, wer heutzutage was über die Beziehung zwischen Männern und Frauen wissen will, liest eher ›Männer sind vom Mars, Frauen sind von der Venus‹.«
»LIES ES!«, brüllte Grandmère so laut, dass Rommel erschrocken von ihrem Schoß hopste und sich hinter einer eingetopften Geranie verkroch.
Ich schwöre, ich weiß nicht, was ich verbrochen hab, dass ich mit so einer Großmutter gestraft bin. Lillys Großmutter schwärmt total für Boris Pelkowski, mit dem Lilly zusammen ist. Sie schickt ihm die ganze Zeit Frischhaltedosen voll selbst gebackener Plätzchen. Wieso bin ich mit einer Großmutter
geschlagen, die mich dazu bringen will, mit einem Jungen Schluss zu machen, mit dem ich seit gerade mal fünfundzwanzig Tagen zusammen bin?
Noch sieben Tage, sechs Stunden und zweiundvierzig Minuten, bis ich ihn wiedersehe.
Dienstag, 13. Januar, Tagesprogramm
8.00 - 10.00 Uhr
Frühstück mit den Mitgliedern der fürstlich genovesischen
Shakespeare-Gesellschaft
»Jane Eyre« ist sehr lahm - bis jetzt geht es bloß um Waisenhäuser, unvorteilhafte Haarschnitte, und die ganze Zeit wird gehustet.
10.00 - 16.00 Uhr
Sitzung im genovesischen Parlament
Mit Jane Eyre geht’s langsam aufwärts - sie hat einen Job als Gouvernante bei so einem sehr reichen Kerl gefunden, der Mr Rochester heißt. Dieser Rochester ist ein sehr autoritärer Typ und erinnert mich an Wolverine aus »X-Men« und an Michael.
17.00 - 19.00 Uhr
Tee mit Grandmère und der Gattin des britischen
Premierministers
Mr Rochester = echt heißer Typ. Auf meiner Liste der begehrenswertesten Männer würde ich ihn zwischen Hugh Jackman und diesem Kroaten aus »ER« einordnen.
20.00 - 22.00 Uhr
Galadiner mit dem britischen Premierminister
und dessen Familie
Jane Eyre = dumme Kuh! Mr Rochester kann doch gar nichts
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