Dein Auftritt Prinzessin
dafür! Wieso ist sie so gemein zu ihm?
Und Grandmère soll mich mal nicht so anbrüllen, bloß weil ich bei Tisch lese. Äh, hallo? Von wem hab ich das Buch denn bitte?
Sechs Tage, elf Stunden und neunundzwanzig Minuten, bis ich ihn wiedersehe.
Mittwoch, 14. Januar, 3 Uhr morgens, Prinzessinnenschlafzimmer im Fürstenpalast von Genovia
Okay, ich glaub, jetzt verstehe ich, warum Grandmère wollte, dass ich das Buch lese. Aber diese Mrs Fairfax hat Jane doch nur deswegen davon abgeraten, vor der Hochzeit nett zu Mr Rochester zu sein, weil es damals noch keine Verhütungsmittel gab.
Außerdem (dazu würde ich übrigens gern auch mal Lillys Meinung hören) bin ich mir ziemlich sicher, dass es ein Fehler wäre, sich eine Romanfigur zum Vorbild zu nehmen, vor allem wenn der Roman von 1846 ist.
Aber grundsätzlich hab ich schon kapiert, was Mrs Fairfax sagen will: Du darfst einem Jungen auf keinen Fall nachlaufen. Jungs nachzulaufen ist grundverkehrt und kann zu den schrecklichsten Katastrophen führen - brennenden Herrenhäusern, Handamputationen und Erblindung. Also bewahre dir deine Selbstachtung und lass dich vor der Hochzeit zu nichts hinreißen.
Okay, das leuchtet mir ein. Das leuchtet mir echt absolut ein.
Nur was soll Michael denken, wenn ich plötzlich nicht mehr anrufe???? Vielleicht denkt er dann, ich mag ihn nicht mehr!!!! Und das, wo es eh schon nicht viel gibt, was für mich spricht. Als Freundin bin ich ein ziemlicher Flop. Ich habe keine Talente, vergesse Geburtstage und bin Prinzessin.
Vielleicht war es genau das, worauf Grandmère hinauswollte. Wahrscheinlich soll man die Jungs an der kurzen Leine halten, damit sie gar nicht erst zum Nachdenken kommen.
Hm. Okay, bei Grandpère hat es anscheinend funktioniert. Und Jane ist mit der Methode auch ganz gut gefahren. Ich könnte es ja mal versuchen. Obwohl es nicht einfach wird.
In Florida ist es jetzt neun Uhr abends. Was Michael wohl gerade macht? Vielleicht ist er an den Strand gegangen und hat unterwegs ein wunderschönes, hoch musikalisches, elternloses Mädchen kennen gelernt, das auf der Straße haust und vom Geld der Touristen lebt, denen es eigene Folksongs mit ironisch-bissigen, selbst geschriebenen Texten vorsingt, zu denen es sich auf der Stratocaster selbst begleitet. Ich dagegen kann noch nicht mal Tennis spielen, geschweige denn Gitarre.
Bestimmt trägt sie so knappe Klamotten mit Fransen dran und hat einen Riesenbusen und so leicht schräg stehende Zähne wie Jewel aus »Eine Nacht bei McCool’s«. Man kann von keinem Jungen erwarten, an so einem Mädchen einfach vorbeizugehen.
Nein. Grandmère und Mrs Fairfax haben schon Recht. Ich muss standhaft bleiben. Ich muss der Versuchung widerstehen, ihn anzurufen. Nur wer Abstand hält, treibt die Männer in den Wahnsinn - genau wie Jane Eyre.
Obwohl es übertrieben wäre, wenn ich jetzt wie Jane meinen Namen ändern und weglaufen würde, um bei entfernten Verwandten unterzukommen. So verlockend die Vorstellung auch ist.
Fünf Tage, sieben Stunden und fünfundzwanzig Minuten, bis ich ihn wiedersehe.
Mittwoch, 14. Januar, Tagesprogramm
8.00 - 10.00 Uhr
Frühstück mit Mitgliedern der genovesischen Ärztekammer
Bin so was von übermüdet. Das war das letzte Mal, dass ich mir die halbe Nacht um die Ohren schlage, um Romane aus dem neunzehnten Jahrhundert zu lesen.
10.00 - 16.00 Uhr
Sitzung im genovesischen Parlament
Lange Rede des Finanzministers, der mir den Rücken stärkt! Prophezeit, wenn Genovia keine Parkuhren einführt, ist es dem Untergang geweiht!
17.00 - 19.00 Uhr
Immer noch im genovesischen Parlament
Finanzminister hört einfach nicht auf zu reden. Würde mich gern rausschleichen, um eine Orangina zu trinken, habe aber Angst, dass er das als Verrat empfinden würde.
20.00 - 22.00 Uhr
Immer noch im genovesischen Parlament
Halte es nicht mehr aus. Diese Rede ist echt sterbenslangweilig. René hat gerade den Kopf zur Tür reingesteckt und dreckig gegrinst. Soll er ruhig. Ihm bleibt es ja erspart, eines Tages ein Land zu regieren.
Donnerstag, 15. Januar, Staatsbankett im benachbarten Monaco
Lange konnte ich ihn vor Grandmère verbergen, doch heute hat sie ihn entdeckt - meinen Pickel. Die Vorstellung, ich könnte Prinz William mit einem Riesenpickel am Kinn gegenübertreten, war wohl zu viel für sie - jedenfalls ist sie total ausgerastet. Ich hab ihr zwar versichert, ich hätte alles im Griff, aber sie hat anscheinend nicht so viel Vertrauen in
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