Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dein bis in den Tod

Dein bis in den Tod

Titel: Dein bis in den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
Vom Netzwerk:
unwilliges Grunzen.
    Ich wiederholte das Ganze, etwas heftiger. »Na los!«, knurrte ich.
    Nichts geschah. Der Motor war tot.
    Ich beugte mich vorsichtig zur Windschutzscheibe. Ich hätte es wissen sollen: Der Motor war nicht nur tot, er war ermordet worden.
    Draußen waren die Schatten zum Leben erwacht, und es waren diesmal mehr als fünf. Es waren viele.

38
    Es waren zu viele.
    Ich überlegte einen Moment, ob ich die Türen verriegeln sollte, aber das hätte wahrscheinlich nur dazu geführt, dass sie die Scheiben zerschlugen, die Reifen durchstachen, die Karosserie auseinander brachen, also den Wagen noch mehr zum Wrack machten, als er es ohnehin schon war.
    Sie kamen näher, bildeten einen Kreis um das Auto. Lange, dunkle Schatten, mit blassen, starren Gesichtern. Mehrere von ihnen hielten etwas in den Händen. Es waren keine Messer, sondern Stahlrohre, Fahrradketten und ähnliche erfreuliche Gegenstände.
    Ich bin kein mutiger Mensch, nur etwas dummdreist ab und zu. Ich spürte, wie mir der Schweiß ausbrach, auf der Stirn und den Rücken hinunter lief. Ich fühlte mich unwohl in der Magengegend, spürte, wie meine Beine zitterten.
    Sie standen jetzt still, in einem dichten Kreis um den Wagen herum. Der nächste Block schien unendlich weit entfernt, und die hellen Lichter waren ebenso unerreichbar wie die Spitze des Mount Everest. Abgesehen von dem Hexenring um meinen Wagen war der Parkplatz so leer und verlassen wie der Stille Ozean. Sogar das Lyderhorn schien sich erwartungsvoll vorzubeugen, ebenso abwartend wie alle anderen.
    Ich stieg schnell aus dem Wagen. Sie waren zwölf, dreizehn und meine einzige Chance war, sie mit Worten auf Abstand zu halten, eine Lücke zu finden und so schnell ich konnte davonzurennen und zu allen Göttern zu beten, dass es schnell genug wäre.
    Aber Joker hatte aus seinen Fehlern gelernt. Bevor ich den Mund aufmachen konnte, hörte ich seine Stimme: »Gebt’s ihm!«
    Und das taten sie.
    Sie waren über mir von allen Seiten, so schnell und brutal, dass ich kaum die Fäuste heben konnte. Ich spürte wie Finger, Fäuste, Beine, Stiefel und Stahlrohre empfindliche Körperteile trafen. Eine Fahrradkette fing meinen Unterarm ein, biss sich durch die Ärmel und riss die Haut auf. Ich wurde umgeworfen, traf den Wagen auf dem Weg zu Boden und bekam einen Stiefel gegen das Kinn, bevor ich den Asphalt erreichte. Ich fühlte ein hartes Knie im Magen, hämmernde Fäuste gegen meine Brust. Ich schlug nach oben in die Menge, traf etwas Hartes, dann etwas Weiches, löste einen Fluch aus und bekam einen Stiefeltritt in den Schritt, dass es in mir zu singen begann, ein schrilles, disharmonisches Lied. Über mir stöhnte es, jemand lachte, andere fluchten.
    Ich krümmte mich zusammen, hob die Ellenbogen neben den Kopf, zog den Kopf zur Körpermitte hinunter und versammelte meine Schenkel um meine weichsten Teile. Ohne etwas dagegen tun zu können, spürte ich warme Tränen aus meinen Augen laufen, ebenso vor Wut und Demütigung wie vor Schmerz und Angst, und ich dachte: Ist das das Ende? So kläglich, so ungerecht!
    Und ich sank in eine bodenlose Dunkelheit. Der Asphalt breitete sich unter mir aus, wurde weich wie eine Daunendecke, öffnete sich wie ein warmes Bett. Eine wundersame Wärme breitete sich in meinem Körper aus, eine Wärme, die alle Schmerzen verbrannte, eine große, gefühllose Wärme. Halb bewusstlos merkte ich, wie die Schläge und Tritte verebbten. Ein letzter Stiefel im Kreuz, ein verächtlicher Tritt gegen ein schlaffes Bein, Spucke im Gesicht. Ich spürte, dass nicht nur Tränen über mein Gesicht liefen, das hier war zäher, dicker, klebriger.
    Plötzlich war jemand sehr, sehr nah. Ich fühlte, wie mich harte Fäuste hochhoben und sah durch einen flimmernden gelbroten Schleier ein Gesicht auf meines zufallen, ein blasses und kaltes Gesicht, einen Pastor: »Ich hatte dich gewarnt, Veum. Du lässt jetzt meine Mutter in Ruhe, endgültig.«
    Dann ließ er mich los und ich sank zurück auf den Asphalt. Auch dieses Mal tat es nicht weh. Es war nur weich und warm, und ich wollte nur eines: Schlafen, schlafen …
    Ich hörte Schritte sich entfernen. Sie dröhnten in meinen Ohren, wie eine vorbeipolternde Büffelherde. Dann wurde es still. Und plötzlich war die Stimme wieder da, am Ende einer dünnen Stiefelspitze, einer Stiefelspitze, die sich zielbewusst in meine Seite bewegte. Die Stimme sagte: »Und wenn du glaubst, du wärst der Einzige, der deiner Hure den Hof macht, dann irrst

Weitere Kostenlose Bücher