Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dein bis in den Tod

Dein bis in den Tod

Titel: Dein bis in den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
Vom Netzwerk:
Geheimnisse und machten ihre Träume wahr wie Jonas Andresen. Deshalb starben nur die wenigsten daran.
    Vier Blocks. In einem wohnte Gunnar Våge. Im mittleren wohnten Solfrid Brede und – wenn auch zurzeit verreist – Wenche Andresen. In dem dritten wohnte Joker mit seiner Mutter, Hildur Pedersen. Zu ihr wollte ich.
    Es wurde langsam wieder dunkel, graublaue Nachmittagsdun­kel­heit, die rasch in Blauschwarz überging und am Ende nur noch schwarz war. Schwarze, sternenlose Dunkelheit mit einem leisen Regen in der Luft.
    Die Tür der Wohnung öffnete sich, bevor ich klingeln konnte, aber Joker sah ebenso überrascht aus wie ich, als wir uns plötzlich von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden.
    Ich erinnerte mich an seine dünne Stimme am Mittwoch: Was ist da los? Aber seine Stimme war nicht dünn, als er sagte: »Ich hab dich gewarnt, Harry. Du weißt, was ich gesagt hab?«
    Ich sagte: »Mein Gedächtnis ist so schlecht. Das muss am Alter liegen.«
    Er kniff die Augen zusammen. »Lass meine Mutter in Ruhe, hab ich gesagt. Lass sie in Ruhe!«
    Ich sagte: »Nun mal halblang, Johan. Ich bin nicht gekommen, um ihr …«
    Er sagte scharf: »Ich bin nicht Johan. Nicht für dich, Harry. Du gehörst zu – den anderen.«
    »Bist du sicher?«, fragte ich, aber er antwortete nicht. »Und Gunnar Våge – gehört der zu euch? Er ist auf der richtigen Seite, was?«
    »Er ist jedenfalls reell.«
    »Aber was ist die richtige und was die falsche Seite?«
    Er sagte, fast formell: »Die einen gehören zu uns. Und dann sind da die anderen – ihr –, die gegen uns sind.«
    »Du erinnerst mich an irgendjemanden«, sagte ich. »Aus irgendeinem Buch, das ich mal gelesen habe.«
    Er machte ein Zeichen, dass er an mir vorbei wollte.
    Ich sagte: »Moment mal. Ich habe – ich habe in vieler Hinsicht den gleichen Hintergrund wie Gunnar Våge. Und ich glaube, ich kann dich verstehen. Ich kann verstehen, dass du – nach etwas suchst, an das du dich halten kannst. Aber ein Springmesser ist nicht genug. Das endet nur damit, dass du dich selbst daran schneidest. Und eine Terrorherrschaft über kleine Jungs ist nichts, worauf man seine Zukunft aufbauen kann, Johan.«
    »Ich hab doch gesagt, du sollst mich nicht …«
    »Okay. Wie soll ich dich denn nennen? Billy the Kid?«
    »Ich sage nur … Ich warne dich ganz einfach. Geh nicht rein zu meiner Mutter. Sonst wirst du dafür bezahlen.«
    Aus dem Inneren der Wohnung hörte ich Hildur Pedersens grobe Stimme: »Mit wem redest du da, Johan?«
    Er starrte mich stumm an und rief laut: »Mit niemand – Mama.«
    Ich sagte: »Wenn du mich Niemand nennst, dann nenn ich dich Keiner. Dann können wir als Duo auftreten und uns Keiner und Niemand nennen. Klingt doch lustig, oder?«
    Nein, das klang nicht lustig. Er sagte: »Verschwinde, Veum.«
    Ich sagte: »Immer mit der Ruhe, Johan. Ich will deiner Mutter nur eine Frage stellen. Nicht mehr und nicht weniger. Und ich lasse mich von niemandem daran hindern.«
    Er hob einen schmalen, blassen Zeigefinger und erinnerte mich mehr denn je an einen Pastor. »Letzte Warnung, Veum.«
    Ich schob den Zeigefinger zur Seite, ging in die Wohnung und machte die Tür fest hinter mir zu. Er trat heftig von außen dagegen, dann hörte ich seine schnellen Schritte auf dem Balkon verschwinden.
    »Johan?«, hörte ich die heisere Stimme seiner Mutter aus dem Wohnzimmer fragen.
    »Veum«, sagte ich sanft und ging hinein.
    Sie lag auf dem Sofa, mit all ihren Kilos. Das gesprenkelte Haar stand in alle Richtungen, und ihre Augen hatten Schwierigkeiten, mich in dem dämmrigen Licht zu finden. Sie hatte keine Beleuchtung an, aber sie hatte viele Flaschen, aus denen man Lampen hätte machen können, wenn man ein Händchen dafür hatte. Und die Flaschen waren leer, also konnte man gleich anfangen.
    Sie lag auf der Seite, den Kopf auf der Sofalehne, mit dem fetten, weißen Arm als Kopfkissen. Als ich hereinkam, versuchte sie, den Ellenbogen aufzustützen und den Kopf auf die Hand zu legen, aber es gelang ihr nicht, die Bewegungen zu koordinieren. Sie lächelte mir entschuldigend zu. »Hallo, Veum«, sagte sie. »Nett, dass du kommst.« Ihre Sprache war nicht ganz klar und ihr ›S‹ war sehr feucht.
    »Na, gibt’s Seegang?«
    Ihr Blick kämpfte sich durch den Flaschenwald. »Sss-seegang?«
    Ich setzte mich ihr gegenüber an den Tisch. Sie machte einen Schlenker mit der Hand in Richtung Tisch und sagte: »Bedien dich. Help yourself, sozusagen.« Sie lachte scheppernd.
    Ich

Weitere Kostenlose Bücher