Dein bis in den Tod
Bjøndalsvingen gekommen. Jetzt kam ich tatsächlich gut durch. Ich verfehlte nicht einmal die Puddefjordbrücke, und ich vergaß nicht, mich beim Zentralbad rechts einzuordnen.
Wie es dem alten Mann erging, der einmal einen Graham besessen hatte, erfuhr ich nie. Vielleicht ist er immer noch auf der Suche nach Hilfe. Die ist zurzeit nicht leicht zu finden.
Über die Ambulanz in Bergen ist gesagt worden, sie hätte folgende klassische Devise in Goldbuchstaben über der Eingangstür verdient: »Lasst alle Hoffnung fahren, die ihr hier eintretet.«
Das ist eine Übertreibung. Die meisten überleben. Dass sie ihren Aufenthalt möglicherweise ein Leben lang nicht vergessen, ist nicht zu ändern. Und dass sie sich, wenn sie gehen, nicht viel besser fühlen als vorher, darüber sollten sie sich auch nicht beschweren.
Es kursierte einmal eine Geschichte von einem Ostnorweger, der sich in der Ambulanz in Bergen einen verstauchten Knöchel verarzten ließ. Als er nach Oslo zurückkam und dort zur Kontrolle ging, soll der Arzt einen Blick auf den Knöchel geworfen haben, um dann besorgt aufzustehen und zu fragen: Die Ambulanz in Bergen? Der Patient habe erschrocken genickt, und der Arzt habe eine Horde Medizinstudenten herbeigerufen, die sich gerade in der Nähe befanden. Sie liefen zusammen und starrten auf ihn, als sei er ein ungewöhnlich seltener medizinischer Fall. Der Arzt habe sich vor Freude die Hände gerieben und gesagt: Nun sollt ihr einmal sehen, wie man es nicht macht.
Man soll natürlich nichts auf solche Geschichten geben. Sie sind selten wahr. Man soll auch keine Gesundheitsratgeber lesen. Und wenn man es vermeiden kann, dann sollte man sich von Orten wie der Ambulanz in Bergen weit entfernt halten.
Ich parkte am Straßenrand. Es war nach zehn Uhr, und der Haupteingang war geschlossen. Ein Schild und ein Pfeil wiesen mich zum Eingang bei der Auffahrt. Ich folgte dem Pfeil, erklomm eine breite Betontreppe und kam zu einer verschlossenen Tür und einer Klingel. Nach ein paar vergeblichen Versuchen traf mein Zeigefinger den Klingelknopf.
Eine Frau in Weiß öffnete. Sie war Ende dreißig, garantiert unverheiratet (und hatte sicher niemals daran gedacht) und sah aus, als wolle sie sagen, dass sie in dieser Abteilung nichts an der Tür kauften. Aber sie hielt mir die Tür auf, und ich trat ein.
»Was fehlt Ihnen?«, fragte sie.
Ich zeigte unbeholfen auf mein Gesicht, von dem ich annahm, das es für sich sprach. »Ich bin so geschwollen«, sagte ich. »Kann das – Mumps sein?«
Sie sah mich streng an und nickte zu ein paar Stühlen hin. »Setzen Sie sich.« Dann trabte sie den Korridor entlang und um die Ecke.
Ich sah mich um. Es war kein Arzt zu sehen. Auf einem der Stühle saß sehr gekrümmt ein dunkelhäutiger Ausländer. Das schwarze Haar fiel ihm in die Stirn. Er blutete aus einer hässlichen Wunde über der einen Augenbraue, das linke Ohr sah aus, als könne es jeden Moment abfallen, und die Hälfte seiner Zähne hielt er in der Hand. Blut tropfte in drei Seen auf den Boden vor ihm, langsam und rhythmisch, als käme es direkt vom Herzen.
Hinter einem grünen Vorhang hörte ich ein kleines Kind weinen.
Ein Mann in Taxifahreruniform lief rastlos hin und her, während er auf ein Schild schielte, das verkündete, dass das Rauchen verboten sei. Er sah aus, als hätte er Lust, es abzunehmen und als Zahnstocher zu verwenden. Die Größe hätte gestimmt.
Es roch streng nach Äther oder wonach es an solchen Orten immer riecht.
In einer Ecke hing ein Spiegel über einem Waschbecken. Ich ging hin und entdeckte, dass es kein Spiegel war. Es war ein Gemälde, ein Porträt eines ungewöhnlich unschönen Menschen. Erst da hob ich die Hand und befühlte das, was einmal mein Mund gewesen war, und begriff, dass tatsächlich ich es war, der mir aus dem Spiegel entgegensah.
Das war zu viel des Guten, und ich duckte mich schnell außer Sichtweite. Ich füllte das Waschbecken mit Wasser und versuchte, mich abzuspülen. Als ich den Kopf wieder vor den Spiegel hob, war ich mir schon etwas ähnlicher, aber nicht viel. Sogar meine Mutter hätte Probleme gehabt, mich wieder zu erkennen. Alte Bekannte wären auf der Straße an mir vorbeigelaufen.
Meine Augen waren verklebte, schmale Streifen. Mein Mund war zwei Nummern zu groß geworden und beulte sich hässlich zum einen Auge hin aus. Mein Kinn erinnerte an solche Kartoffeln, mit denen die Leute zur Zeitung gehen, weil sie so komisch aussehen. Und meine schöne, zarte
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