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Dein bis in den Tod

Dein bis in den Tod

Titel: Dein bis in den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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dass ich die Polizei rufe? Oder einen Arzt?«
    »Einen Arzt? Um diese Tageszeit?« Ich versuchte zu lachen.
    »Tut es weh?«, fragte er besorgt.
    »Nur wenn ich lache«, sagte ich.
    Aber es tat auch weh, wenn ich aufhörte zu lachen. Ich sagte: »Verstehen Sie was von Autos?«
    Er strahlte. »Ich hatte einmal einen Graham, von vor dem Krieg bis 1963. Ein richtiges Auto, von damals, als sie noch richtige Autos bauten.«
    »Tja. Dies hier ist nicht gerade ein Auto. Es ist fast ein Haufen Schrott auf vier Rädern, aber wenn Sie mir helfen könnten, die Motorhaube aufzumachen?«
    Ich drehte mich herum. Das hätte ich nicht tun sollen. Das eine Bein gab einfach unter mir nach, und das Auto stand nicht mehr da, wo es vorher gestanden hatte. Ich merkte, dass ich mich einen Augenblick an den Asphalt unter mir anlehnte, bis sich der Asphalt um mich drehte und mir einen Handkantenschlag in den Nacken versetzte.
    »Hallo? Hallo!«, ertönte es mehrstimmig um mich herum.
    Mir hing der Magen oben im Hals und drehte sich um. Ich übergab mich wieder. »Ich hole Hilfe«, hörte ich eine Stimme sagen. »Bleiben Sie, wo Sie sind. Bewegen Sie sich nicht vom Fleck.«
    Ich murmelte: »Ich werd’s versuchen.«
    Dann war sie wieder da, die Frau mit dem eigentümlichen Haar. Aber sie war aufgestanden und ihr Gesicht war verzerrt, lang gezogen auf einer Seite und auf der anderen zusammengedrückt. Es tat weh, sie anzusehen. Ich öffnete die Augen, um dem Anblick zu entgehen. Ich lag ganz still, mit offenen Augen und atmete langsam durch Mund und Nase. Ganz ruhig, sagte ich zu mir.
    Und dann versuchte ich wieder aufzustehen, langsamer und vorsichtiger als je zuvor.
    Ich stützte mich auf das Auto und richtete mich langsam ganz auf. Es fühlte sich an, wie allein eine Fahnenstange aufzustellen, dabei die eine Hand auf den Rücken gebunden.
    Aber es ging. Der Asphalt unter mir kam zur Ruhe, und das Auto hinter meinem Rücken löste sich nicht auf.
    Ich bewegte mich Stück für Stück zur Motorhaube nach vorn, suchte unter der Haube nach dem Öffnungshaken, fand ihn und drückte zu. Das kostete mich den Rest meiner Kräfte. Die Haube öffnete sich mit einem widerwilligen Klick. Aber ich triefte überall von Schweiß und kleine, schwarze Punkte strichen vor meinen Augen vorbei wie aufgeschreckte Fasanen.
    Ich ruhte mich aus. Dann hob ich die Motorhaube ganz an und steckte den Kopf in den Autorachen. Meine müden, brennenden Augen wanderten über den verschlungenen Leyland-Motor.
    Sie hatten keine große Operation vorgenommen. Ich schraubte die Zündkerzen wieder rein und befestigte den Benzinschlauch dort, wo er hingehörte.
    Ohne die Haube wieder zu schließen, tastete ich mich zur Tür zurück, öffnete sie und setzte mich hinter das Steuer. Ich drehte den Zündschlüssel herum, und der Wagen startete wie ein frisch verliebter Greis. Ein Greis zwar, aber nichts desto weniger frisch verliebt. Am Anfang lief er etwas träge, aber als er erst einmal in Gang gekommen war, war er nicht mehr zu bremsen.
    Ich ließ den Motor laufen, kletterte heraus, ging den endlosen Weg nach vorn, klappte die Motorhaube zu und kehrte auf den Fahrersitz zurück. Es war ein weiter Weg, und ich musste mich erst einmal erholen. Also blieb ich ruhig sitzen und klammerte mich ans Lenkrad, während ich nur vor mich hin sah: Ein kleiner Junge, der Auto spielte.
    Dann holte ich tief Luft, ließ die Kupplung kommen, fuhr vom Parkplatz herunter und peilte die Ausfahrt zur Hauptstraße an. Zwei Räder blieben auf dem Gehsteig, die beiden anderen waren auf der Fahrbahn, allerdings auf der linken Seite. Ich bog auf die Straße, fand den rechten Kantstein und orientierte mich an ihm.
    Es ging am besten, wenn ich das linke Auge zumachte und eine Geschwindigkeit von 20 bis 30 Stundenkilometern hielt. Und keinen anderen Autos begegnete. Die Lichter, die mir entgegen kamen, verwirrten mich, denn sie verteilten sich in lockerer Formation und hüpften und tanzten auf und ab. Und sie waren so grell, wie ich sie noch nie erlebt hatte.
    Auf dem Weg in die Stadt hielt ich fünf, sechs Mal an, öffnete die Tür, beugte mich hinaus und spuckte. Ich hatte nicht die Kraft, auszusteigen und an den Straßenrand zu gehen, sondern blieb sitzen, wo ich war. Aber ich versuchte, diskret zu sein: Wenn andere Autos vorbeifuhren, tat ich, als würde ich den Hinterreifen inspizieren. Der war allerdings völlig in Ordnung.
    Wäre es zur Hauptverkehrszeit gewesen, wäre ich wohl kaum weiter als bis zum

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