Dein bis in den Tod
du? Ist mir halt davongerannt. Ich hatte dir schon so viel erzählt. Ich hatte dir erzählt – von all den anderen Frauen. Und ich hatte dir erzählt, wie sehr mich Wenche – wie verrückt ich nach ihr war. Sollte ich dir dann plötzlich von meiner größten Niederlage erzählen? Das konnte ich einfach nicht, Veum. Ich konnte nicht – ich bin zu sehr Mann, um dazusitzen und zu jammern über ein – nein.«
»Also hat sie Nein gesagt?«
»Ja. Sie hat Nein gesagt. Einfach so geraderaus: Nein. Ich fragte sie, ob ich nicht mit reinkommen könnte. Und sie antwortete: Nein. Das kommt nicht in Frage, Richard. Auf keinen Fall. – Das war alles. Sie sagte Nein und ich fuhr nach Hause und ging stattdessen mit mir selbst ins Bett.«
»Und das war so schwierig mir zu erzählen?«
»Ja. Das war es wirklich, Veum.«
»Genau wie das andere, was du mir nicht erzählt hast.«
»Das – andere?« Lange Pause zwischen den Worten.
»Ja. Von deinem Sohn. Deinem eigenen Sohn. Johan Pedersen, den manche Joker nennen. Den du mit einer Frau namens Hildur Pedersen hast, ein Sohn, den du begleitet und dem du geholfen hast, seit er auf der Welt ist – aber auf Abstand. Warum hast du mir das nicht erzählt, Ljosne?«
»Ich – ich … Ich verstehe nicht, was das – dich überhaupt angeht. Ich – manche Geheimnisse wird ein Mann doch wohl noch für sich behalten dürfen, oder?«
»Solange man keinen Mörder deckt, schon.«
»Einen Mörder? Aber das ist doch lächerlich, Veum. Du meinst doch wohl nicht, dass – dass Johan etwas – was mit …«
»Nein, Ljosne. Das meine ich nicht. Ich weiß, dass er das nicht hat. Aber es geht um einen Mord und je mehr Dinge dabei geheim gehalten werden, desto schwerer wird es, die Wahrheit herauszufinden. Wenn es eine Wahrheit gibt. Außer …«
»Veum …« Seine Stimme war jetzt heiser. »Ich habe Geld, Veum. Ich kann bezahlen. Wenn du nur, wenn du meinen Namen da raus hältst, sodass die Leute nicht von Johan erfahren. Ich kann …«
»Was ist so schlimm an einem unehelichen Kind heutzutage, Ljosne?«
»Das ist es nicht. Aber die Leute werden wissen wollen, die Leute werden sagen – dass es – dass ich ihn verraten habe. Dass ich ihn zu dem gemacht habe, der er – heute ist.«
»Werden die Leute sagen. Und vielleicht haben sie Recht.«
»Aber, hör zu – ich weiß, wer das Honorar für deine Arbeit bezahlt. Aber ich glaube auch nicht, dass Wenche es getan hat. Ich bin bereit – meinen Teil zu deinem Honorar beizutragen, Veum. Dafür, dass du ihr hilfst. Wenn du nur …«
Ich starrte an die Decke. Bald würde jemand ein Loch hineinschlagen und Goldmünzen auf mich regnen lassen. Die Leute versprachen mir an allen Ecken und Enden Geld, aber es kam nie in meinem Briefkasten an. Warum auch immer. Vielleicht lag es nur an der Post.
Ich sagte: »Mein Honorar wird schon bezahlt, Ljosne. Hast du mir noch irgendwelche Geheimnisse anzuvertrauen, bevor wir auflegen?«
»Ich – nein. Nein, aber …«
»Dann mach’s gut. Wir sehen uns bei einem Old-Boys-Kampf irgendwann oder wenn mal irgendwo gebrauchte Suspensorien im Ausverkauf sind. Und wenn du heute joggst, Ljosne, dann nicht auf meinen Wegen, okay?«
»Ich …«
Den Rest hörte ich nicht mehr, ich legte auf. Hinterher fiel mir ein, dass er mir sicher ein paar billige Flaschen Aquavit hätte besorgen können. Aber gleich darauf dachte ich, dass sie mir nicht geschmeckt hätten. Nicht ein Tropfen.
Ich hatte noch einen Anruf zu tätigen. Einen sehr wichtigen Anruf.
Die weißen Flecken am Himmel hatten sich ausgedehnt. Vielleicht würden wir noch einen kurzen Blick auf den blauen Himmel erhaschen, bevor er wieder in schwarze Tinte getaucht würde.
Ich rief die Werbeagentur Pallas an und bat, mit Solveig Manger sprechen zu dürfen. »Einen Augenblick«, ertönte es mit müder Routine.
Ich wartete und sah auf die Uhr. Unter dem zerbrochenen Glas taten die Zeiger ihre Arbeit. Es war schon nach zwei. Irgendwo hinter dem grauweißen Wollteppich war die Sonne dem Horizont um zwei Grade näher gerückt. Wie das Gespenst eines fernen Sommers schlich sie schnell und schuldbewusst über den Himmel, ohne sich zu zeigen.
Dann hörte ich ihre Stimme. Sie klang ängstlich, als habe man sie in der letzten Zeit nicht gerade mit guten Neuigkeiten verwöhnt. »Hallo? Hier ist Solveig Manger.«
»Guten Tag. Mein Name ist Veum. Varg Veum. Ich bin Privatdetektiv und ich …«
Sie unterbrach mich. »Wenn das ein Witz sein soll, dann …«
»Nein,
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