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Dein bis in den Tod

Dein bis in den Tod

Titel: Dein bis in den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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alten Konturen. Sie konnte niemand verändern. Oder doch?
    Ich durchquerte die Beffe und ging am anderen Ende an Land.

44
    Es war eine Konditorei en miniature und zugleich auch der Verkaufsraum. Jedenfalls war sie nicht gerade groß. Da war kein Platz für Arien, und es würde schwierig werden, über persönliche Dinge zu sprechen. Ich hätte einen anderen Ort gewählt.
    Eine Glastheke mit Kuchen und Brot teilte den Raum in zwei Hälften. Ganz rechts stand ein Kühlschrank mit einigen Limonadenflaschen. Zwischen dem Kühlschrank und der Tür standen zwei kleine Tische mit jeweils zwei Stühlen. Links von der Tür, direkt beim Fenster, gab es einen weiteren Tisch. Das war alles. Ich wählte den Tisch beim Kühlschrank. Er wirkte am diskretesten, wenn man es diskret nennen konnte, eineinhalb Meter vom Tresen und zwei Meter von der Tür entfernt zu sitzen.
    Hinter dem Tresen stand eine ältere Frau mit grauem Haar und einem Gesicht voller freundlicher Falten. Sie trug Gelb: Bluse, Rock und Schürze, wie eine Serviererin.
    Ich bestellte zwei Rumkugeln und eine Tasse Schokolade mit Sahne. Es war fünf vor halb vier. Das ist eine meiner schlechten Angewohnheiten: Ich komme immer fünf Minuten zu früh.
    Sie kam durch die Tür mit schwachem Nachmittagslicht im Rücken und sie brauchte nicht nach mir zu suchen. Es war sonst niemand da.
    Als sie an meinen Tisch trat, sah ich, dass sie ziemlich klein war. Sie streckte mir eine blasse, schmale Hand entgegen und sagte: »Hallo. Solveig Manger.«
    Ich stand auf und ergriff gleichzeitig ihre Hand. »Varg Veum. Guten Tag.«
    Sie drückte meine Hand schnell und fest. Es täte ihr Leid, dass sie fünf Minuten verspätet sei. Ich sagte, das mache nichts, und sie lächelte zerstreut, als sei sie es gewohnt, dass Männer genau das sagten. Sie ging zum Tresen und bestellte eine Tasse Kaffee und ein halbes Brötchen.
    Als sie zurückkam, knöpfte sie ihren Mantel auf, bevor sie sich setzte. Es war ein Mantel, den sie schon ein paar Jahre trug: aus grünem, teilweise von Wetter gebleichtem Samt, mit breiten Aufschlägen und einem breiten Gürtel mit dunkelbrauner Schnalle. Darunter trug sie eine beigefarbene Bluse mit einem kleinen, braunorangen Muster. Das gab ihr ein herbstliches Aussehen. Die Bluse hing locker um ihren Körper, ohne viel von den Konturen dahinter zu verraten. Sie hatte etwas Romantisches und Geheimnisvolles an sich. Man konnte ihren Körper nur erahnen: die weichen Spitzen der kleinen Brüste, den festen Oberkörper und – weiter unten – den weichen Bauch. Ihre Schultern waren schmal, aber gerade. Sie saß mit geradem Rücken in einer natürlich aufrechten Haltung.
    Zur Bluse trug sie einen grünen Samtrock. Sie hatte breite Hüften, die zusammen mit dem schmalen, fast zierlichen Oberkörper auf den ersten Blick einen putzigen Eindruck machten. Ihre Gestalt hatte nicht die klassischen Maße, sie hatte keine üppige Venus-Figur, sie war keine erblühende Diana. Aber es war eine Gestalt, in die man sich furchtbar leicht verlieben konnte, weil sie sofort irgendeine Form von Beschützerdrang und Zärtlichkeit in einem auslöste.
    Neben ihr empfand ich mein eigenes zerschlagenes Gesicht als unpassend, klobig und hässlich oder unschön. Ich strich mir nachdenklich über die Barstoppeln, vielleicht um wenigstens die untere Gesichtshälfte zu verbergen.
    »Ich habe – Sie schon mal gesehen«, sagte sie und sah forschend in mein Gesicht.
    Ich ließ meine Hand wieder auf den Tisch fallen. »Bitte«, sagte ich. »Können wir uns nicht duzen? Es ist so anstrengend, die ganze Zeit an das Sie zu denken.«
    Sie lächelte vorsichtig. »Na gut. Aber dann musst du mich Solveig nennen. Und ich nenne dich … Warte – wie war das? Vidar?«
    »Ich würde mir fast wünschen, es wäre so.«
    »Ja?« Ihre Augen waren dunkelblau, so dunkel, dass sie fast schwarz wirkten. Ihr Haar fiel glatt und jungmädchenhaft um ihr Gesicht, nicht blond und nicht braun und nicht rot, sondern alles zugleich. Ich musste Jonas Recht geben. Auch aus der Ferne wäre es das Erste, was einem an ihr auffiel.
    »Varg«, sagte ich.
    Sie lachte nicht, sondern sagte: »Hör mal, du, ich glaube, das hier könnte eine schwierige Bekanntschaft werden. Ich glaube nie ganz, was du sagst. Ich habe nicht geglaubt, dass du Privatdetektiv bist und nun – heißt du wirklich …?«
    Ich nickte. »Ja. Ich heiße Varg. Und ich bin Privatdetektiv.«
    Sie nickte langsam und lächelte wieder. »Gut. Ich glaube dir. Ich glaube

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