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Dein bis in den Tod

Dein bis in den Tod

Titel: Dein bis in den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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nein, Frau Manger. Das ist kein Witz. Es tut mir wirklich Leid, wenn es sich so anhört, aber …«
    »Entschuldigung, aber ich bin etwas empfindlich zurzeit. Ich – ich habe wohl noch nie mit einem richtigen Privatdetektiv gesprochen.«
    »Nein, natürlich nicht«, sagte ich leichthin. »Das haben die wenigsten. Bevor ich sie anrufe. Aber ich – es ist wohl übertrieben, wenn ich sage, dass ich Jonas kannte, aber wir – wir sind uns tatsächlich ziemlich nah gekommen, und zwar erst am Abend, bevor er … Und er, er hat mir von Ihnen erzählt – auf eine Weise, die … Tja, ich könnte mir vorstellen, dass Sie manches davon vielleicht gern hören würden. Und vielleicht könnten Sie mir im Gegenzug etwas über ihn erzählen. Ich versuche nämlich, herauszufinden – was passiert ist. Was wirklich passiert ist.«
    »Wieso wirklich? Ich dachte – die Polizei … Ich – oh, nur einen Moment bitte.« Ich hörte ihre Stimme zu jemandem sagen: »Nein, jetzt nicht. Nur einen Moment. Gibst du mir fünf Minuten? Okay. Und mach die Tür zu, bitte.« Dann war sie wieder bei mir. »Ja? Hallo?«
    »Hallo.«
    »Wo waren wir? Ich – Sie wollten mit mir sprechen?«
    »Sehr gerne. Wenn es Ihnen nicht zu viele Umstände macht. Ich – ich mochte Jonas sehr gern, obwohl ich ihn kaum kannte. Ich …«
    Sie unterbrach mich wieder. »Nur um das klarzustellen – Veum? So heißen Sie doch, oder?«
    »Ja.«
    »Mein Mann weiß natürlich alles über Jonas und mich. Jetzt. Die Polizei war so liebenswürdig, es ihm zu erzählen. Aber das war wohl auch – notwendig.« Sie holte so tief Luft, dass man es bis auf die andere Seite von Vågen hören konnte. »Also Geld ist hier nicht zu holen, wenn Sie das im Sinn hatten. Ich will Ihnen ja nicht zu nahe treten, aber …«
    Jetzt war es an mir, sie zu unterbrechen. Ich sagte so sanft ich konnte: »Die Leute haben eine falsche Vorstellung von Privatdetektiven. Sie sehen zu viele amerikanische Krimis. Entweder glauben sie, wir seien breitschultrige, dunkle Machos mit einer Whiskyflasche in der einen Jackentasche und einer Blondine in der anderen. Oder wir sind fiese Männlein, die sich das Haar über ihren blanken Schädel kämmen und Eigelbflecken auf dem Schlips haben und von irregeleiteten Ehefrauen Geld erpressen. In Wirklichkeit …« Ich sah mich in meinem Büro um. »In Wirklichkeit sind wir graue Männlein, die in kleinen, verwahrlosten Büros sitzen, mit einem Haufen unbezahlten Rechnungen, die uns nicht einmal mehr ein schlechtes Gewissen bereiten und die es nicht übers Herz bringen, das Kalenderblatt vom Februar abzureißen, damit es März wird. Wir ähneln Rechnungsboten.« Ich holte tief Luft und sagte: »Wann können wir uns treffen?«
    Sie sagte nachdenklich: »Sagen Sie, reden Sie immer so?«
    »Nur, wenn ich nüchtern bin.«
    »Ich weiß nicht, ob wir uns eigentlich so viel zu …«
    »Lassen Sie sich von meinem Gerede bitte nicht abschrecken. Es geht manchmal mit mir durch. Ich kann nichts dafür. Wenn ich Auge in Auge einer Frau unter sechzig gegenübersitze, dann bin ich wie ein Dreizehnjähriger auf Freiersfüßen, so ungefährlich wie eine flügellose Fliege.«
    »Es gibt da eine kleine Konditorei – hier oben in der Øvregate, hinter der Mariakirche.«
    »Ja, genau. Ich weiß, wo das ist.«
    »Wir könnten uns dort treffen, ungefähr um halb vier?«
    »Gut. Ich werde dort sein.«
    »Aber ich muss um halb fünf zu Hause sein. Mein Mann …« Sie sprach nicht weiter, aber ich konnte mir vorstellen, dass die Toleranzgrenze ihres Mannes zurzeit nicht so hoch war.
    »Also gut. Bis dann.«
    »Bis dann.«
    Ich legte den Hörer auf und holte tief Luft. Ich hatte es geschafft.
    Dann ging ich entschlossen um den Schreibtisch herum zum Kalender. Ich hatte die Hand schon erhoben, entschied mich dann aber doch anders. Nein, noch nicht, sagte ich zu mir selbst. Noch nicht.
    Darauf schloss ich das Büro ab und ging die zwei Stockwerke hinunter zum Beerdigungsinstitut aller guten Mahlzeiten. Ich aß ein warmes Gericht, langsam und umständlich, wie ein Todeskandidat. Aber nicht einmal einem Todeskandidaten hätte dieses Essen geschmeckt.

43
    Bergens Elektriske Faergeselskap heißt die Reederei, die – allerdings mit immer größerer kommunaler Unterstützung – die kleine Fähre betreibt, die von der Nykirke nach Bredbenken Vågen überquert. BEF steht darauf geschrieben und damals, als wir uns als Jungs auf die endlose Fahrt über das Vågenmeer machten, um zum Turntraining in die

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