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Dein bis in den Tod

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Titel: Dein bis in den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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geantwortet. Der mit dem Telefon? – Erst ein paar Tage später war mir die Pointe aufgegangen, und danach hatte ich nicht mehr bei ihr angerufen.
    Oder ich hätte es bei meinem Freund Paul Finckel, dem Journalisten, versuchen können. Wir hätten ein Bier zusammen trinken und zu Abend essen können. Aber dann würde er mir von nichts anderem als von all den Mädchen erzählen, die er seit dem letzten Mal rumgekriegt hatte, und nichts ist schlimmer als sich Geschichten von all den Mädchen anhören zu müssen, die andere rumgekriegt haben – besonders dann, wenn du kein Wort von dem Ganzen glaubst. Er war auch geschieden. Manchmal habe ich das Gefühl, dass alle geschieden sind, auf die eine oder andere Weise.
    Schließlich wählte ich einfach irgendeine Nummer. Eine Männerstimme meldete sich: »Hier ist Jebsen.«
    »Äh. Kann ich … Frau Andresen sprechen?«
    »Wen?«
    »Frau Andresen.«
    »Da müssen Sie sich verwählt haben.«
    »Oh, Entschuldigung.«
    »Bitte«, sagte er und legte auf.
    Ich blieb mit dem Hörer am Ohr sitzen und lauschte dem Summton. Ein Summton ist schon ein komisches Geräusch. Wenn du lange da sitzt und ihm zuhörst, klingt es, als riefe jemand nach dir oder viele, im Chor, aber ohne richtig zu dir durchzukommen. Bleibst du aber zu lange sitzen, schaltet sich eine Dame vom Telewerk ein und sagt: »Würden Sie bitte den Hörer auflegen.«
    Also legte ich den Hörer auf und verließ mein Büro, bevor er in meinen Armen verschied.
    Montag ist ein putziger Tag. Die Wochenenddepression hat dich noch nicht ganz losgelassen, und die neue Woche findet noch nicht richtig statt. Genau genommen kämen wir auch gut ohne Montage zurecht. In meiner Branche waren überhaupt die meisten Wochentage überflüssig.
    Ich hätte ebenso gut zu Hause bleiben können.

8
    In der Cafeteria im ersten Stock aß ich zu Abend. Es gab eine Art Fleischgericht, das schmeckte, als hätten die Müllmänner vergessen es mitzunehmen. Doch ich war selbst schuld. Ich wusste, worauf ich mich einließ. Ich hatte schon früher hier gegessen.
    Zu Hause brühte ich mir eine Tasse Kräutertee auf, um nach der ganzen Goldfischsuche am Wochenende die Nieren zu reinigen. Ich machte es mir mit einem großen weißen Becher und einer Humphrey-Bogart-Biografie bequem, die ich schon einmal gelesen hatte. Die Bilder hatten diesen Grauschleier, der verriet, dass sie vor vielen, vielen Jahren in einem längst versunkenen Märchenland aufgenommen worden waren. Leute wie Bogie gibt es nicht mehr. Und wenn er wider alle Wahrscheinlichkeit quicklebendig auf der Torgalmenning aufgetaucht wäre, hätten wir ihn aus seinem Trenchcoat herausgelacht. Die wehmütigen Augen, die auf Grund seiner Magenbeschwerden (und später vom Krebs) hart und kalt wurden, die flüsternde Stimme, die daher kam, dass sein Gebiss nicht ordentlich saß: heutzutage gab es für Typen wie Bogie nur noch im Raritätenkabinett Platz.
    Da klingelte das Telefon. Es war halb sechs, und das Telefon klingelte. Jemand musste sich verwählt haben. Ich nahm den Hörer ab und sagte: »Falsche Nummer. Hier ist Veum.«
    »Veum! Sie müssen mir helfen! Sie müssen sofort kommen. Sie haben Roar!« Ihre Stimme war schrill. Ich sah ihre blauen Augen vor mir, den schmalen, weißen Nacken.
    »Nun mal ruhig. Und der Reihe nach. Wer hat Roar? Doch nicht …«
    »Doch! Joker, der … und seine Bande!« Sie schluchzte. »Als ich nach Hause kam, war er nicht da. Aber im Briefkasten lag ein Zettel: Wir haben Roar. Du weißt, wo du ihn findest. Wenn du die Bullen rufst, bringen wir ihn um.«
    »Und haben Sie die Polizei angerufen?«
    »Nein! Sie haben doch gehört …«
    »Aber wäre es nicht trotz allem das Beste? Schließlich … Sie dürfen nicht glauben, was da steht. Die bluffen doch nur. Sie sind trotz allem noch halbe Kinder. Verstehen Sie … sie wollen Ihnen nur Angst machen.«
    »Sie machen mir Angst, Veum! Ich will die Polizei nicht anrufen. Deshalb rufe ich doch … ich habe sonst niemand, der mir helfen kann. Jetzt. Können Sie nicht … ich bezahle auch, selbstverständlich, wenn das …«
    »Darum geht es gar nicht.« Mein Bankkonto war schon so lange leer. Wenn es jetzt Nahrung bekäme, würde es nur Verdauungsprobleme bekommen und sich übergeben. »Natürlich komme ich, wenn Sie …«
    »Ja. Gut. Danke! Aber so schnell Sie können. Sofort, ja?«
    »Ich bin schon unterwegs. Aber beruhigen Sie sich erst mal. Wir regeln das schon. Garantiert. Bis gleich.«
    »Bis gleich.«
    Ich legte

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