Dein Blick so kalt
für sie kochen.« Mam legte das Messer aufs Brett, wischte sich die Hände an einem Küchentuch ab und verließ die Küche.
Lou sah ihr verwundert nach. Okay. Dann kochte sie eben. Wo war das Rezept? Das Kochbuch lag aufgeschlagen auf dem Küchentisch. Gemüselasagne. Lecker. Ihr Lieblingsgericht. Und plötzlich wurde ihr klar, dass Mam hauptsächlich vegetarisch kochte. Ihretwegen. Das war eigentlich unheimlich nett. Denn ihre Eltern bekamen Fleisch nur noch mittags in der Kantine auf den Teller. Oder wenn Mam so kochte, dass es für Lou Gemüse gab, das nicht zusammen mit Fleisch zubereitet wurde. Aufläufe und andere Ofengerichte schieden dabei ebenso aus wie Eintöpfe. Ihre Eltern schränkten sich ihretwegen ganz schön ein. Das wurde Lou erst jetzt klar. Irgendwie hatte sie das immer als selbstverständlich hingenommen. Doch das war es nicht.
Sie machte sich an die Arbeit. Als Pa Tante Ute um sieben die Tür öffnete, war der Tisch im Esszimmer gedeckt, die Getränke waren kalt gestellt und es roch köstlich nach Lasagne.
Tante Ute war ebenso pragmatisch wie Mam, kein Wunder, sie waren Schwestern. Also kam sie beim Essen gleich zur Sache und sie machte das sehr geschickt, denn sie fragte, ob Mam sich eigentlich noch erinnern konnte, wie ihre Eltern damals, Mitte der Sechzigerjahre den kleinen Kolonialwarenladen in der Theresienstraße eröffnet hatten.
Natürlich konnte sie sich erinnern. Sie war damals sechs Jahre alt gewesen und Tante Ute acht. »Unsere Eltern haben sich krummgeschuftet. Tag und Nacht haben sie gearbeitet und am Ende ist kaum etwas übrig geblieben.«
»Stimmt. Es waren harte Zeiten. Richtig schlimm wurde es, als die ersten Supermärkte öffneten und dort alles viel billiger verkauft wurde. Da konnten unsere Eltern nicht mithalten und mussten das Sortiment umstellen, zunächst auf Obst und Gemüse, später haben sie es dann mit Feinkost und Spezialitäten versucht. Sie wollten, dass du Einzelhandelskauffrau wirst und den Laden übernimmst. Weißt du noch, Martina?«
»Natürlich. Ich wollte aber diesen täglichen Überlebenskampf nicht und schon gar keine Sechzig-Stunden-Woche. Ich wollte einen soliden Beruf, der einem Sicherheit gibt. Aber das waren andere Zeiten. Das ist nicht mit Lous Situation vergleichbar.«
Lou war überrascht. Das hatte sie nicht gewusst und sie nutzte die Steilvorlage, die Tante Ute ihr zugespielt hatte, sofort. »Und deshalb bist du zur Stadtverwaltung gegangen und bist Beamtin geworden. Du hast den Beruf erlernt, den du wolltest. Und waren Oma und Opa deswegen sauer auf dich?«
Mam seufzte.
Pa zog die Stirn kraus. Ihm schien das Thema nicht zu gefallen. Er sah, worauf es hinauslaufen würde.
»Sie waren stinkwütend auf mich«, räumte Mam ein. »Mein Vater hat fast ein Jahr lang nicht mit mir gesprochen, bis er schließlich zugab, dass meine Entscheidung vermutlich nicht die schlechteste war.«
Okay. Lou atmete durch. Das war ihre Chance. Dieses Eisen musste sie schmieden, solange es heiß war. »Du hast also selbst entschieden, was du werden wolltest. Und ich will das auch selbst entscheiden. Ich will Mediengestalterin werden und nicht Arzthelferin. Das ist mein Leben.«
»Aber das ist kein Beruf mit Zukunft. Arzthelferinnen werden immer gebraucht und…«
»Ich habe heute die Zusage für den Praktikumsplatz bekommen.« Lou konnte es nicht lassen und warf ihrem Vater einen triumphierenden Blick zu. »Auch wenn du nicht geglaubt hast, dass ich das schaffe. In zwei Wochen kann ich anfangen. Und wenn ich gut bin, dann bekomme ich den Ausbildungsplatz. Und Gestalter werden auch immer gebraucht. Alles wird gestaltet. Zeitungen, Illustrierte, Werbung, Plakate, Eintrittskarten, Zahnpastatuben. Sogar Klopapier. Einfach alles.«
Mams Gesichtszüge verschlossen sich. Pas ebenfalls. Allerdings begann er, die praktischen Fragen zu stellen nach Wohnung, Kosten und Bezahlung. Als Lou zugeben musste, nur Geld für die Fahrkarte zu bekommen, legte sich seine Stirn in Falten. »Du siehst doch selbst, das funktioniert nicht. Oder erwartest du, dass wir das Praktikum bezahlen?«
Er sagte das wie damals, als Lou sich eine Playstation zu Weihnachten gewünscht hatte. Sinnloser Firlefanz. Und auch das Geld fürs MacBook hatte sie sich selbst verdienen müssen. Doch sie hatte keine Zeit, erst noch zu jobben, um die Kohle fürs Praktikum an Bord zu bekommen. Verzweifelt suchte Lou Tante Utes Blick und sie griff ein.
»Lou hat recht. Mediengestalter werden auch künftig
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