Dein Blick so kalt
wartete.
Sie räumten das Essen und die Decke zurück in den Lieferwagen. Lou griff sich den Koffer mit Klamotten. Ferdi schleppte einen Karton mit Geschirr und Caro schnappte sich das Bettzeug. Der Lift kam und sie stiegen ein. Lou drückte den Knopf für das dritte Stockwerk. Die Türen begannen, sich zu schließen, als sich noch ein Mann hineinzwängte, der so gar nicht zum gepflegten Stil der Anlage passen wollte. Ausgeleierte Jogginghose, verschwitztes T-Shirt. Schlammverkrustete Laufschuhe. Eine Fahne Schweißgeruch kam mit ihm in die Kabine. Er drückte den Knopf für die vierte Etage. Lou versuchte, flach zu atmen. Caro verdrehte die Augen. Die Lifttüren glitten langsam zu. Doch plötzlich schob der Jogger seine Hand dazwischen. Eine weitere Person steuerte auf den Aufzug zu. Lou erkannte den Kerl von der Parkbank. Die Zeitung trug er zusammengefaltet in der Hand. »Danke, Herr Meißner.« Er nickte dem Jogger zu. »Sehr freundlich.«
»Keine Ursache.«
Endlich setzte sich der Aufzug in Bewegung. Der Zeitungsleser musterte Caro, Ferdi und dann Lou. »Sie ziehen hier ein?«
Lou nickte widerwillig. Ging ihn eigentlich nichts an.
»Schön. Endlich ein paar junge Leute im Haus. Sie sollten sich allerdings an die Regeln halten. Das Betreten der Rasenflächen ist verboten. Ohne Regeln funktioniert eine Hausgemeinschaft nicht. Sie sind also keine Willkür, sondern Ordnungsprinzipien.«
Ein Prinzipienreiter. Super. Hoffentlich war der nicht ihr Nachbar.
War er nicht. Als die Lifttüren sich in der dritten Etage öffneten, blieb er an die Wand gelehnt stehen und sah Lou und ihren Freunden mit einem Lächeln nach. Einem Lächeln, das die Augen nicht erreichte.
13
Onkel Achim sah ganz anders aus, als Lou ihn in Erinnerung hatte. Wie der Star einer Vorabendserie. Groß, schlank, gletscherblaue Augen, klare Gesichtskonturen, gebräunte Haut, das dunkle Haar von ersten grauen Strähnen durchzogen. Doch mit dem modischen Haarschnitt sah das ziemlich gut aus. Sein Lächeln entblößte tadellose Zähne. »Louischen? Meine Güte, ich hätte dich beinahe nicht erkannt. Eine hübsche junge Frau bist du geworden. Und vor allem ziemlich extravagant.« Er musterte sie ganz ungeniert, bevor er sie umarmte. Der schwache Duft nach einem teuren Herrenparfüm, der von ihm ausging, irritierte sie. Unwillkürlich hatte sie den Geruch nach Zahnarztpraxis erwartet, den sie mit Onkel Achim seit ihrer Kindheit verband.
»Hallo Onkel Achim.«
»Den Onkel lass mal weg. Sonst fühle ich mich uralt. Achim genügt. Und das sind deine Freunde?«
Lou stellte Ferdi und Caro vor und sah sich dann neugierig um.
Von dem kleinen Flur, in dem sie standen, gingen außer der Wohnungstür noch zwei weitere Türen ab. Die gegenüber stand offen und gab den Blick in ein kleines Badezimmer mit Waschbecken, WC und Duschkabine frei. Alles in Weiß und Hellgrau. Sah superedel aus. Die Glastür linker Hand war ebenfalls geöffnet. Geräusche drangen aus dem Zimmer. Lou trat ein und bemerkte einen Mann, der auf einer kleinen Trittleiter stand und an etwas rumschraubte, das an der Decke angebracht war. Als er Lou bemerkte, stieg er von der Leiter. »Jonathan Bär, von der Hausverwaltung. Die Batterien im Rauchmelder müssten mal ausgewechselt werden.« Er wies auf die Dose an der Decke. Ein Rauchmelder war das also.
»Das kann Ben erledigen.« Die Stimme der Frau, die aus der Küche kam, klang seltsam heiser. Der Hausverwalter nickte und stellte die Hausmeisterin vor. Lou hatte sich eine pummelige und gemütliche Frau vorgestellt, doch Elvira Pagel war das Gegenteil davon. Klein und drahtig mit der Figur einer Fünfzehnjährigen, die sich in Size zero gehungert hatte. Sie trug Jeans und ein ausgeleiertes T-Shirt. Ihre Haare waren so schwarz und glänzend gefärbt wie das Gefieder einer Krähe. Ihre Augenbrauen glichen schwarzen Balken und der Blick aus ihren dunklen Augen wirkte auf Lou misstrauisch und berechnend.
»Wer ist Ben?«, fragte Lou.
»Mein Sohn. Er erledigt kleinere Reparaturen.«
»Gut, dann macht Ben das.« Der Name Bär passte zum Hausverwalter. Irgendwie sah er knuffig aus. Mitte dreißig, schätzte Lou. Rundes Gesicht. Freundliche Augen.
»Das kann ich selbst tun. Batterien wechseln ist ja keine Kunst.«
»Selbst ist die Frau. Wenn Sie das machen wollen…« Bär zuckte mit den Schultern. »Mir soll es recht sein.«
Ferdi stellte den Karton ab. »Ich hole dann mal den restlichen Kram.«
»Ich komm mit«, meinte Caro. Beide
Weitere Kostenlose Bücher