Dein Blick so kalt
Wohnung schweifen. Endlich war sie mit Caro und Ferdi allein. In ihrer ersten eigenen Wohnung! Ihr Herz machte einen kleinen Hüpfer. Yes!
»Und nun, Leute, was machen wir als Erstes?«, fragte sie.
»Möbel rücken. Bett zusammenbauen. Kartons auspacken«, meinte Ferdi ganz pragmatisch.
»Das hat Zeit bis morgen, wenn ihr zurückgefahren seid.«
Caro war ganz Lous Meinung. »So oft bin ich auch nicht in München. Lasst uns ein bisschen durch die Stadt laufen.«
Ferdi gab sich bereitwillig geschlagen.
Lou sperrte die Wohnung ab und rief dann vom Lift aus pflichtschuldig ihre Mam an, die sich schon Sorgen gemacht hatte. Danach überlegte sie, wo sie hingehen könnten. »Zum Englischen Garten ist es nicht weit. Sollen wir? Oder doch lieber erst ein bisschen durch Schwabing?«
Sie begannen mit dem Englischen Garten und liefen im Schatten der Bäume zum Kleinhesseloher See. Im Biergarten am Chinesischen Turm teilten sie sich eine Radlermaß und folgten dann dem Eisbach bis zum Haus der Kunst, der dort mit so hohem Druck aus seinem unterirdischen Gefängnis hervorschoss, dass eine stehende Welle entstand. Auf dieser ritten zwei Surfer, die schon einige Zuschauer angelockt hatten. Ferdi, Caro und Lou sahen ihnen eine Weile zu. Dann liefen sie weiter zur Leopoldstraße. Nachdem sie zwei Stunden durch Schwabing gelaufen waren, waren sie hungrig und durstig und die Füße taten ihnen weh. In einem Supermarkt kauften sie fürs Abendessen ein und kehrten zur Wohnung zurück. Ferdi, der Praktiker, schlug vor, doch erst das Bett aufzubauen und dann den lauen Sommerabend im Englischen Garten zu genießen.
Gesagt, getan. Sie trugen Caros und Ferdis Isomatten und Schlafsäcke nach oben. Ferdi schraubte das Bett zusammen. Lou stellte das Dosenbier kalt, räumte dann ihre restlichen Sachen aus und verstaute die Klamotten im Einbauschrank, während Caro eine Blase kühlte, die sie sich gelaufen hatte.
Als der letzte Karton ausgeräumt und das Bett aufgebaut war, machten sie sich mit Käse, Wurst, Brot und Bier und Picknickdecke auf zum Kleinhesseloher See.
Ziemlich was los hier, dachte Lou. Ganz München schien sich im Englischen Garten aufzuhalten. In der Nähe ihres Picknickplätzchens knutschte ein Pärchen wie wild. Ein Vater übte mit seinem Sohn Radfahren. Über den See glitten Ruderboote und weiter hinten auf der Wiese spielte eine Gruppe von Jugendlichen Frisbee. Lou sog alles in sich auf. Das war München! Freiheit pur!
Allmählich versank die Sonne hinter den Bäumen. Durch ihre Kronen strich ein sachter Wind, der hin und wieder die Dächer der Stadt jenseits des Parks aufblitzen ließ. Nach und nach glitten die Boote ans Ufer. Der Bootsverleiher schloss und Familien gingen heim. Langsam senkte sich die Nacht herab, kletterte der Mond höher und ein feines Gespinst von Nebel stieg über der ruhigen Wasseroberfläche auf. Das entfernte Rauschen des Verkehrs wirkte beinahe einschläfernd. Von irgendwoher kam gedämpft Gitarrenmusik. Lou fühlte sich einfach sauwohl.
Ferdi hatte die Arme um die Knie geschlungen und blickte aufs Wasser. Mit in den Nacken gelegtem Kopf sah Caro in die Sterne und Lou streckte sich auf der Decke aus und reckte den Kopf hintenüber. Die Welt stand Kopf. Ein perfekter Tag, wollte sie sagen. Doch die Worte blieben ihr ihm Hals stecken. Keine zehn Meter hinter ihr stand jemand im Licht einer Laterne auf dem Uferweg. Der Mann von der Parkbank. Der mit der Zeitung, der sie schon am Vormittag beobachtet hatte und dann mit ihnen in den Lift gestiegen war. Der Prinzipienreiter. Auch jetzt starrte er zu ihr herüber. Lou schnellte empor und drehte sich um.
Doch er war nicht mehr da.
14
Am Sonntagmorgen checkte Lou erst einmal den Internetzugang und hatte Glück. Wie sie gehofft hatte, gab es ein offenes WLAN, das sie kostenfrei mitbenutzen konnte. Jedenfalls dann, wenn der Eigentümer online war. Da so gut wie jeder heute eine Flatrate nutzte, war Lous Hoffnung groß, möglichst jederzeit ins Netz zu können.
Am Vormittag besichtigte Ferdi zwei WG-Zimmer und kehrte frustriert zurück. Eines war inzwischen vergeben worden und der Vermieter des anderen ein ätzender Nerd. Mit dem würde er ganz sicher nicht zusammenziehen. Später streiften sie zu dritt durch die Innenstadt, gingen weiter bis zur Isar und folgten dem Uferweg bis zum Flaucher. Irgendwann war es dann Zeit, Abschied zu nehmen. Caro und Ferdi mussten zurück nach Straubing. Caro umarmte Lou und drückte sie. »Wir simsen und
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