Dein Blick so kalt
dann ihren Pa, beide einen Tick fester als sonst.
»Pass auf dich auf, Lou, ja?« Mam blinzelte eine Träne weg. »Und melde dich gleich, wenn ihr angekommen seid. Und wenn es dir in München nicht gefällt – du musst das Praktikum ja nicht durchziehen. Du kannst jederzeit nach Hause kommen. Und Ferdi, fahr vorsichtig, ja?«
»Also mir gefällt das nach wie vor nicht«, mischte Pa sich jetzt doch noch ein. »Wir werden ja sehen, wie lange du das durchhältst. Vermutlich keine drei Wochen.«
Diese Worte trafen Lou wie ein Schlag in den Magen. Hallo? Pa? Was soll das? »Stimmt genau«, erwiderte sie pampig. »Es werden eher drei Jahre werden. So lange dauert die Ausbildung nämlich. Und du wirst schon sehen: Ich bekomme diese Lehrstelle. Ich bin nämlich gut, auch wenn du das nicht glaubst.« Mit diesen Worten machte sie auf dem Absatz kehrt. »Ferdi, Caro, wir fahren.« Donnernd ließ sie die Beifahrertür ins Schloss krachen und hörte ihre Mam gerade noch sagen: »Er meint es doch nicht so.«
Lou drehte sich nicht um, sondern beobachtete im Außenspiegel, wie Mam ihr nachwinkte. Pa war schon längst im Haus verschwunden. Ferdi sah zu ihr herüber. »Mach dir nichts daraus. Eltern sind manchmal seltsam.« Caro, die neben ihrem Bruder auf dem Mittelsitz saß, berührte Lous Arm. »Stimmt genau.«
Doch Lous Freude hatte erst einmal einen ordentlichen Dämpfer bekommen. Es tat einfach weh, dass ihr eigener Vater nicht an sie glaubte. Aber sie würde das durchziehen, das war mal klar. Wirst schon sehen, Pa!
Bereits nach anderthalb Stunden Fahrt erreichten sie die Stadtgrenze von München. Ferdi schaltete das Navi ein und folgte dessen Anweisungen, bis sie die Wohnanlage in der Biedersteinstraße im Stadtteil Schwabing erreichten. Auf einem parkähnlichen Grundstück verteilt standen sechs moderne Gebäudekomplexe mit je fünf Etagen. Glas. Stahl. Beton. Gepflegter Rasen, zentrale Tiefgarage, Designerlampen entlang der gepflasterten Wege. Ferdi folgte einer schmalen Straße bis zum Parkplatz vor dem Haus mit der Nummer drei und stellte den Motor ab. »Da wären wir.« Kritisch sah er sich um. »Hier wohnen wohl die ganz armen Leute.«
Lou zog entschuldigend die Schultern hoch und legte den Kopf schief. Sie war ja selbst total überrascht, wie nobel das alles aussah. »Meine Tante scheint echt ganz gut zu verdienen. Ich rufe jetzt mal die Hausmeisterin an und sag Bescheid, dass ich da bin.«
Doch unter der Nummer, die Tante Ute ihr gegeben hatte, meldete sich niemand. Lou hinterließ der Hausmeisterin Elvira Pagel eine Nachricht auf der Mailbox. Als sie auflegte, begann ihr Magen, laut zu knurren. Caro lachte. »Ich habe auch Hunger. Wie wäre es mit ein paar Sandwiches, bevor wir den Kram reinschleppen?«
»Guter Plan«, meinte Ferdi. »Da drüben ist es schattig.« Er wies auf eine mächtige Kastanie, mitten auf dem Rasen. »Ich habe eine Decke im Wagen. Wir könnten ein Picknick machen.«
Lou steckte das Handy ein. »Au ja.«
Gemeinsam schleppten sie ihren Proviant in den Schatten und machten es sich auf der Decke bequem. Der Eistee war erfrischend. Als Lou ein Käsesandwich aus einer der Tupperdosen holte, musste sie grinsen. Das war typisch Mam! Alles wurde in Tupperdosen verpackt. Es fehlte nur noch, dass sie sie beschriftete.
Während sie picknickten, beobachtete Lou die Leute, die vorbeigingen. Manche sahen herüber, schüttelten den Kopf. Etwas weiter entfernt saß ein Mann auf einer Bank und las Zeitung. Trotz Wochenende und Hitze trug er Anzug und Krawatte, als ob er gleich ins Büro müsste. Ab und zu sah er von seiner Lektüre hoch und suchte Lous Blick. Komischer Kerl. Sie wandte sich ab und wollte gerade Caro und Ferdi auf ihn aufmerksam machen, als ihr Handy klingelte. »Hallo Lou. Achim hier.«
»Hi Onkel Achim. Wir sind schon da.«
»Ich habe es mir fast gedacht. Seid ihr das fahrende Volk, das unter der Kastanie lagert?«
Ups. Durfte man das nicht? »Na ja, als fahrendes Volk würde ich uns nicht bezeichnen.«
»Es ist vermutlich besser, ihr kommt rein. Das Betreten des Rasens ist nämlich verboten. So hat es die Mehrheit der Eigentümer entschieden. Schlüssel hast du ja. Ich warte in deiner Wohnung auf dich. Die Hausmeisterin ist schon da und auch jemand von der Hausverwaltung, wegen der Wohnungsübergabe.«
»Ja, dann bis gleich.« Lou legte auf und berichtete Ferdi und Caro, dass dieses gepflegte Grün leider nur das Auge erfreuen sollte und außerdem Onkel Achim schon auf sie
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