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Dein Blick so kalt

Dein Blick so kalt

Titel: Dein Blick so kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Loehnig
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prima.«
    »Damit bekommst du aber keine exakten Konturen hin.«
    Sylkes Lippen wurden ganz schmal. »Ich mache das immer mit dem Radiergummi-Werkzeug.«
    Peter richtete sich bei dieser pampigen Antwort auf. »Das ist nicht professionell. Für Freisteller legt man Pfade an. Lou kann dir zeigen, wie das geht.«
    Lou fuhr zusammen. Nee, bitte nicht. Sie wird mich dafür hassen. Sylke warf den Kopf in den Nacken.
    »Danke. Aber ich weiß, wie man das macht.« Sie musterte Lou mit einem giftigen Blick. Das konnte echt heiter werden.
    Bis kurz vor Mittag wurde konzentriert gearbeitet. Mike musste zu einem Termin. Peter ärgerte sich über die Unentschlossenheit eines Kunden, der zum dritten Mal den kompletten Text einer Broschüre über den Haufen warf. Jem kam irgendwann herüber, fragte, ob jemand einen Kaffee oder Tee wollte, und zeigte ihnen die Kaffeeküche. Die Sonne wanderte langsam nach Süden, bis sie direkt zum Fenster hereinschien und für Lou das Arbeiten unmöglich wurde. Der ganze Raum spiegelte sich in der hochglänzenden Oberfläche des Monitors. Sie erkannte nichts mehr. Verzweifelt sah sie sich um und entdeckte Stoffrollos, die über dem Fenster angebracht waren. Sie fragte Peter, ob es störte, wenn sie die Rollos herunterließ. Er sah von seiner Arbeit auf. »Kein Problem. Lass sie ruhig runter.«
    Lou machte das und ging auf Toilette. Als sie wieder zu ihrem Platz zurückkehrte, sah sie, dass Sylke keine Bilder bearbeitete. Sie saß vor einer Hilfeseite für Photoshop und suchte nach Informationen, wie man einen Freistellpfad anlegte.
    In Gedanken zuckte Lou die Schultern. Eigentlich war es ihr ganz recht, dass Sylke zu eitel oder zu stolz oder zu eingebildet oder was auch immer war, sich von Lou etwas zeigen zu lassen.
    Kurz vor halb eins, als ihr Magen bereits knurrte, fragte Jem, ob jemand Lust hätte, in den Grünwaldpark mitzugehen und auf der Parkbank ein Sandwich zu essen. Auch wenn er ein bezahlter Praktikant war, verdiente er sicher nicht viel und musste auf seine Ausgaben achten. Der Vorschlag kam Lou wie gerufen. Auch sie musste ihr Geld einteilen und hatte sich deshalb ein Käsebrot für die Mittagspause mitgebracht. »Ich bin dabei.«
    Sylke lehnte dankend ab. »Ich treffe mich mit einer Freundin zum Lunch im Ruffini.«
    Also gingen Lou und Jem alleine. Sie wanderten durch das Viertel bis zu einem kleinen Park mit Spielplatz und Bänken im Schatten alter Pappeln. Jem erzählte von seinem Grafik-Design-Studium und wie schwer es war, die erste feste Stelle zu finden. Die meisten seiner ehemaligen Kommilitonen machten Praktika. Genau wie er. In der Agentur gefiel es ihm. Sie war zwar klein, aber hatte schon einige Auszeichnungen gewonnen. Natürlich hoffte er, nach dem Praktikum übernommen zu werden, und er lobte Lou, wie sie ihre erste Aufgabe anpackte. »Freisteller hätte ich vor dem Studium nicht hingekriegt.« Sylke fand er doof, und das sagte er ganz offen. »Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, warum sie mit dir um die Lehrstelle konkurrieren soll. Diese Sylke mit Üps passt schon von ihrer ganzen Art nicht in den Laden.«
    Sylke mit Üps. Lou musste lachen, als er das sagte. Es passte einfach zu gut.
    Am Nachmittag bearbeitete sie weitere Aufnahmen und holte sich irgendwann einen Kaffee. Dabei begegnete sie Sylke, die von der Toilette kam. Sie lehnte sich an die Kaffeetheke. »Magst du auch einen?« Lou wies auf die frische Kanne Kaffee in der Maschine. Sylke lächelte süß. So süß, dass Lou sofort wusste: Jetzt kommt ein Angriff.
    »Danke, Schätzchen. Ich trinke nur Tee. Und ich sage es dir gleich: Du strampelst dich hier umsonst ab. Die Lehrstelle bekomme ich. Das ist bereits entschieden. Du kannst dir das Geschleime also sparen.« Mit einer anmutigen Geste warf sie den Kopf in den Nacken und ging zu ihrem Platz.
    Lou sah ihr verdutzt nach. Sylke bluffte. Oder nicht? Doch warum sollte Julian Döhrig dann diesen Wettbewerb inszenieren? Vermutlich wollte Sylke sie einfach nur einschüchtern. Doch so schnell ließ Lou sich nicht verunsichern. Sowohl Franziska als auch ihr Chef hatten von einem Wettbewerb gesprochen. Und nach dem ersten Tag sah es so aus, als wäre Lou diejenige, die ein paar Punkte gesammelt hatte und nicht Sylke mit Üps.
    Mit einem Becher Kaffee kehrte sie an ihren Platz zurück und konzentrierte sich auf die Arbeit. Bis kurz vor fünf ihr Chef hereinkam, waren etliche Bilder fertig bearbeitet. Lou retuschierte gerade die Aufnahme eines Boards mit Graffitimuster,

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