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Dein Blick so kalt

Dein Blick so kalt

Titel: Dein Blick so kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Loehnig
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Blocherer-Schule, die nicht aufs Abi bestehen, sind privat und abartig teuer. Das könnten meine Eltern nicht bezahlen.«
    »Du hättest aber das Zeug für ein Studium«, meinte Jem. »Du bist echt gut. Im Gegensatz zu Sylke. Ich habe mir heute übrigens mal die Website von Townhouse angeguckt.« Er grinste. »Unsere liebe Sylke von und zu Üps ist eine kleine Angeberin. Im Impressum kannst du nachlesen, dass eine Berliner Agentur die Seite gemacht hat. Vielleicht war Sylke dort als Praktikantin. Mehr sicher nicht. Sie stellt sich ziemlich an. Gestern wollte sie schon die Ispo-Einladungskarten an die Druckerei mailen. Peter hat das noch rechtzeitig mitbekommen. Sie hat die Datei echt in RGB angelegt. Dabei hat Peter euch doch den Unterschied zwischen Druckfarben und Webfarben erklärt.«
    So gerne sie ein wenig über Sylke gelästert hätte, Lou war nicht recht bei der Sache. Eigentlich hörte sie nur mit halbem Ohr zu, während sie Ausschau nach Lysander hielt. Es war schon beinahe zehn, allmählich wurde es dämmerig. Jemand zündete Windlichter an. Auf den Tischen und am Rand eines Blumenbeets standen Wassergläser, in denen Kerzen brannten. Wo er nur blieb?
    Lou stand auf, holte sich etwas vom Salat und ein Glas Wasser und geriet dabei ins Gespräch mit einer pummeligen Frau, die Lous Batikbluse toll fand. Als sie zu Jem und Manu zurückkehrte, saß Lysander bei ihnen. Wieder trug er diese schwarze Mütze. Die Haare hatte er hinter die Ohren gestrichen.
    In der Hand hielt er eine Flasche Bier. Wie vor einer Woche neigte er den Kopf und sah sie mit diesem schiefen Beoblick an. »Hi Lou. Wie geht’s?«
    »Passt schon«, sagte sie und versuchte, ihrer Stimme einen festen Klang zu geben.
    Er betrachtete sie von Kopf bis Fuß. »Cooler Look.«
    Sie wurde ganz verlegen. Röte kroch ihren Hals hinauf bis ins Gesicht. Hoffentlich bemerkte er das bei diesem Licht nicht.
    »Flowerpower, Hippie-Zeit. Oder?«
    Lou konnte nur nicken.
    »Make love, not war. Meine Eltern waren damals auch Blumenkinder.« Mit einer Hand fasste er die Haare zusammen und schob sie über die Schulter. »Wenn es nicht Beweise in Form von Fotos, Super-8-Filmen und Zeugenaussagen gäbe, würde ich das ja nicht glauben. Heute sind sie so was von spießig.«
    Lou setzte sich neben ihn. »Beweise…« Sie musste grinsen. »Willst du auch zur Polizei wie dein Bruder?«
    »Meos Sprache färbt wohl ab.« Lysander musste lachen. »Er redet gerne und viel über seine Arbeit. Sein Job ist sein Leben. Eine echte Leidenschaft. Zurzeit wertet er die Handydaten von diesem ermordeten Mädchen aus.«
    Lou fiel die Zeitungsseite wieder ein. Und die Artikel, die Mam ihr unter die Nase gehalten hatte. Sie hatte die Sache beinahe vergessen. Und jetzt musste auch noch Lysander damit anfangen. Wieso begegnete sie überall Berichten über dieses Mädchen? Langsam wurde das wirklich unheimlich. »Du meinst Daniela Schneider?«
    Er nickte. »Stimmt. So heißt sie. Kanntest du sie?«
    »Nee.« Lou zuckte mit den Schultern. »Es ist nur so, dass ich ständig irgendwo etwas über sie lese. Vielleicht habe ich den selektiven Blick. Sogar auf der Seite mit einem Zeitungsartikel über eine Ausstellung, die mein Onkel mir neulich unter der Tür durchgeschoben hat, stand ihr Name. Bei den Bestattungsterminen. Schon komisch.«
    Auch Lysander fand das irgendwie merkwürdig. Doch sie kamen schnell auf andere Themen zu sprechen. Lou erzählte vom Segelausflug mit Mark und Bea und Lysander, dass er auf der Suche nach einem neuen Job für die Semesterferien war. Der vorherige war leider befristet gewesen und nun beendet. Verreisen war daher in diesem Jahr finanziell nicht drin. Es sei denn, er würde mit seinen Eltern nach Italien fahren. »Never.« Wieder lächelte er dieses wahnsinnsschiefe Lächeln. »In München ist es viel schöner.«
    Wie er sie dabei ansah! Ein Schwarm Hummeln setzte sich in Lous Kopf.

25
    Lysander ging ihr nicht aus dem Kopf. Wo sie war, war auch er. Jedenfalls in ihren Gedanken. Sie hätte gerne mit Caro geskyped und ihr von ihm vorgeschwärmt, doch Caro war in den Weiten des Netzes unerreichbar. Besser gesagt: Sie war offline. Kein Handyempfang, keine Internetverbindung während ihrer Hüttentour.
    Freitagnacht hatte Lysander Lou wieder bis nach Hause begleitet. Doch dann war nichts weiter gewesen. Er fragte nicht nach ihrer Handynummer, und als sie ihn umarmen wollte, stand er so da wie eine Woche zuvor: beide Hände tief in den Taschen. Irgendwie abwehrend.

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