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Dein Blick so kalt

Dein Blick so kalt

Titel: Dein Blick so kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Loehnig
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dabei Purzelbäume und verhedderte sich irgendwo im Hals. Bekam sie überhaupt noch Luft? Sie fühlte brennende Röte in ihr Gesicht steigen. Gleich würde sie tot umfallen.
    »Stimmt.« Ein schelmisches Funkeln leuchtete in seinen Augen. »Aber Lysander liebt Helena.«
    »Nee, oder?« Es gelang ihr tatsächlich, diese Worte lässig klingen zu lassen.
    »Wäre ja langweilig, wenn sich die beiden gleich am Anfang des Stücks kriegen.« Er trat näher, strich ihr die Haare aus dem Gesicht. Seine Hand berührte ihre Wange. Okay, jetzt war es so weit: In zwei Sekunden würde sie mausetot am Boden liegen. Ihr Herz hielt das nicht aus. Es raste und würde jeden Moment seinen Dienst versagen. Sein Blick versenkte sich in ihren und hielt ihn fest. »He. Ich mag dich. Das hast du sicher schon gemerkt. Und du magst mich auch. Das habe ich gemerkt.«
    Na ja, dachte Lou und wurde ganz ruhig, dass er mich mag, hat er bisher eigentlich ziemlich erfolgreich verborgen. Lysander legte seinen Arm um ihre Schultern, sie setzten sich auf die Stufen der Badenburg und redeten. Und schwiegen. Sahen den Enten und Blesshühnern zu, die ihre Kreise auf dem See drehten, ab und zu unter- und dann wieder auftauchten.
    Seine Hand fand ihre. Ihre Finger verflochten sich, bis sie nicht mehr wusste, welche seine waren und welche ihr gehörten, und es fühlte sich verdammt gut und wunderbar richtig an. Irgendwann sah sie auf, blickte in seine braunen Beoaugen. Sie las die Frage darin. Klar. Logisch. Sie lächelte ihn an, dann küssten sie sich. Hummeln summten in ihrem Kopf und sie fühlte sich mit einem Mal ganz leicht und unbeschwert wie eine Schäfchenwolke da oben am Himmel, der langsam von Blau zu Rosa und Violett wechselte. Lysander schmeckte gut, irgendwie nach Honig und Anis. Die einsetzende Dämmerung umfing sie wie ein schützender Mantel. Lou war total glücklich und total verliebt.
    Irgendwann, als es kühler wurde und leichter Dunst über der Wasseroberfläche aufzusteigen begann, lösten sie sich voneinander. Lou war begierig darauf, mehr von Lysander zu erfahren, und er von ihr. Er erzählte von seinem Studium, das er sich anders vorgestellt hatte. »Ich hatte zwar schon immer ein Faible für Mathe und IT und programmiere auch gerne, aber trotzdem ist Wirtschaftsinformatik offenbar nicht so ganz mein Ding. Ich überlege, ob ich das Fach wechseln soll. Vielleicht Maschinenbau oder doch Physik? Langsam sollte ich mich mal entscheiden. Und bei dir? Liegt dir Grafik-Design? Wie gefällt dir das Praktikum in der Agentur?«
    Lou erzählte, wie sie an den Job gekommen war. »Wenn Caro nicht gesagt hätte, dass ich einfach mal anrufen soll und nachfragen, weshalb ich all diese Absagen kassiere, wäre das nichts geworden. Und eigentlich bin ich total happy, dass ich diese Chance bekommen habe.«
    »Eigentlich?« Fragend sah Lysander sie an.
    »Na ja, Sylke zickt ein wenig rum. Sie sieht in mir nur die Konkurrentin. Und Julian ist manchmal ein wenig komisch.« Lou wich aus. Sie wollte an diesem wundervollen Abend weiter auf Wolken schweben und keine unsanfte Landung auf dem Boden der Realität hinlegen.
    Die Nacht senkte sich herab. Um halb zehn wurde der Park geschlossen. Lysander schlug vor, langsam Richtung Ausgang zu gehen. Die Zeit war wie im Nu verflogen.
    In Gedanken versunken, gingen sie nebeneinanderher. Als Lysander seinen Arm um sie legte, spürte sie die Wärme seines Körpers durch die dünne Bluse und genoss dieses prickelnde Gefühl, die Vorstellung, dass seine und ihre Haut nur durch einen Hauch Stoff getrennt waren. Und dabei fiel ihr nun das verschwundene T-Shirt wieder ein. Im Bruchteil einer Sekunde waren all die schönen und prickelnden Gefühle verschwunden. Sie sah ihre Hand, die das Shirt auf den Wäschestapel im Flurschrank legte. Warum hatte es nicht dort gelegen? Wie hatte es aus ihrer Wohnung verschwinden können?
    Lysander spürte offenbar die Veränderung, die in ihr vorging. »Ist was mit dir?«, fragte er ernst.
    Einen Augenblick ging sie weiter schweigend neben ihm her, schob das Rad. Die wundervolle Stimmung war verflogen. »Eigentlich ist nichts. Es ist nur… mein neues T-Shirt ist weg. Einfach verschwunden. Obwohl ich weiß, dass ich es in den Schrank geräumt habe. Aber vermutlich bilde ich mir das ein. Denn sonst wäre es ja da. Ich muss es im Waschsalon vergessen haben.«
    »Oder du hast es anderswohin gelegt.«
    »Ich habe die ganze Wohnung auf den Kopf gestellt. Sogar im Eisfach habe ich nachgeguckt«,

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