Dein Blick so kalt
ihrer Beziehung dar. Damit war es ihm gelungen, sie zu ängstigen. Es hatte zwar ein wenig gedauert, bis sie kapiert hatte, dass sie gemeint war und sonst niemand. Wie sie auf die 404-Error-Meldung gestarrt hatte und die Ungläubigkeit in ihrem Blick von Angst weggespült wurde und sie dabei keine Ahnung hatte, dass sie ihm direkt ins Auge blickte, das war wunderbar gewesen. Wunderbar. Und davon wollte er mehr. Viel mehr.
Für das Video hatte sie sicher auch kluge und schlüssige Erklärungen gefunden: Eine fehlgeleitete Mail, der Film war nicht für sie bestimmt. Sie hatte es sich irgendwie zurechtgebogen. So oder so ähnlich. Total kopfgesteuert.
Langsam ließ seine Wut nach, wich einer kühlen Gelassenheit. Gut. Lou war eine Herausforderung. Eine echte Herausforderung. Und das erhöhte doch eigentlich den Reiz des Spiels.
Er ging ins Schlafzimmer. Das T-Shirt lag auf seinem Bett. So weiß. So sauber. Er hätte es früher holen sollen, bevor sie zum Waschsalon gegangen war. Der Stoff war weich, als er sein Gesicht darin versenkte. Schade, das Shirt roch nicht nach ihr. Er rief sich ihren Duft in Erinnerung. Sonne und Wind. Etwas Blumiges und ein Hauch von Salz und eine Nuance Schweiß.
Plötzlich eine Idee.
So weiß wie Schnee. So rot wie Blut.
Er lächelte.
33
Am Dienstagvormittag wurde Lou aus einem Tagtraum gerissen, in dem Lysander die Hauptrolle spielte. »Post für dich.« Mit diesen Worten hielt Gunda ihr ein Kuvert unter die Nase, während Julian auf der Suche nach Franziska ins Zimmer kam.
Lou fuhr hoch. »Äh. Danke.«
Vom wem konnte das sein? Eine große wattierte Versandtasche. Kein Absender. Doch sie war für Lou bestimmt. Auf dem Adressetikett stand in Computerschrift: Lou Meerbusch c/o Döhrig Communications GmbH und die Anschrift. Komisch. Von wem konnte das sein?
Sylke sah neugierig hoch. Schon deswegen legte Lou den Umschlag beiseite. Ging Sylke mit Üps schließlich gar nichts an und außerdem hatte Lou jede Menge zu tun, denn Jem war mit Zahnschmerzen und einer dicken Backe aufgewacht und in die Zahnklinik gedüst. Dort saß er noch und wartete auf Behandlung. Vor Mittag war mit ihm nicht zu rechnen. Deshalb saß Lou nun an einer von Jems Ispo-Broschüren und führte die vom Kunden gewünschten Korrekturen im Text aus. Bis zur Mittagspause war sie damit fertig.
Mike und Peter gingen zum Italiener, Sylke traf sich mit einer Freundin und Lou überlegte, ob sie sich im Bioladen um die Ecke ein Sandwich spendieren sollte, als ihr das Kuvert wieder einfiel. Sie holte es hervor und öffnete es. Ein T-Shirt kam zum Vorschein. Verblüfft starrte Lou darauf. Das war ihr T-Shirt. Das Shirt, das der Trockner gefressen hatte. Jemand musste es gefunden und ihr geschickt haben. Das war ja total nett… Halt! Stopp! Ihre Gedanken legten eine Vollbremsung hin und wechselten dann auf die Gegenspur. Kalte Angst griff nach ihr. Fassungslos starrte sie auf das Shirt, unfähig zu atmen, sich zu rühren. Wer auch immer ihr das geschickt hatte, wusste nicht nur, dass das ihr Shirt war, er wusste auch, wie sie hieß und wo sie arbeitete. Doch im Waschsalon konnte das niemand wissen.
Das Kuvert segelte auf den Boden. Das Shirt rutschte ihr aus den Händen. Es war also doch jemand in ihrer Wohnung gewesen und hatte es geklaut. Nur das Shirt. Sonst nichts. Das war ja krank! Total krank! Was wollte er von ihr?
Panik wollte in ihr aufsteigen. Doch sie würgte sie hinunter. Denk vernünftig!, befahl sie sich. Sie musste zur Polizei gehen und den anzeigen, der das getan hatte. Und sie brauchte ein neues Schloss, denn irgendjemand hatte einen Schlüssel für ihre Wohnung. Guter Plan. Neues Schloss. Polizei. Lou fühlte sich zwar noch wie in Eiswasser getaucht, doch der Gedanke, etwas gegen dieses Arschloch unternehmen zu können, ließ sie aus ihrer Schockstarre erwachen. Atmen ging wieder. Sie hob das Shirt auf. Etwas stimmte nicht damit, war anders.
Plötzlich eine Bewegung hinter ihr, eine heiße Hand legte sich auf ihre nackte Schulter. Lou wollte schreien, doch es ging nicht, es kam nur ein Krächzen heraus, während sie herumfuhr und mit Julian zusammenstieß.
»Was ist denn mit dir los?«
»Nichts. Alles paletti. Was soll schon sein?«
Mit einem anzüglichen Grinsen musterte er sie. »Das frage ich dich. Feuchte Träume gehabt? Du siehst ja völlig derangiert aus.«
Was!
»Oh, la, la!« Er nahm ihr das Shirt aus der Hand. »Dein Freund steht wohl auf die scharfen Spielchen? Ritzt er dir auch die Haut
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