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Dein Blick so kalt

Dein Blick so kalt

Titel: Dein Blick so kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Loehnig
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Stärken. Wieder unterbrach er sie. »Ein Einbruch, der nichts zu bedeuten hat? Sie sind gut. Was wurde denn entwendet?«
    Gleich würde er sie auslachen. Lou begann zu schwitzen. Wenn Sie ernst genommen werden wollte, musste sie das anders anfangen und ein wenig dramatisieren. »Das ist echt gruslig. Meinen Laptop hat er nicht geklaut und auch sonst keine Wertsachen. Nur ein T-Shirt fehlte, das…«
    Neumanns Augen wurden groß. Ungläubig sah er sie an. »Ein T-Shirt?«
    Lou zuckte mit den Schultern und breitete die Hände aus. »Ich weiß ja selbst, dass das komisch klingt. Aber er hat echt nur das Shirt geklaut und heute…« Wieder kam sie nicht bis zum Satzende.
    »Wie ist er denn überhaupt hereingekommen? Hat er die Tür aufgebrochen oder ist er durch ein Fenster gestiegen?«
    Kleinlaut bekannte Lou, dass der Eindringling einen Schlüssel haben musste, denn die Tür war unbeschädigt und die Wohnung im dritten Stock. Das Fenster schied also aus und die Balkontür war zu gewesen. Ganz sicher.
    Missmutig verschränkte Neumann die Arme vor der Brust. »Einbruch und Diebstahl sind zwei Paar Schuhe. Ein Einbruch ist das jedenfalls nicht. Also machen wir eine Diebstahlsanzeige wegen eines Fünf-Euro-Shirts.« Er klang genervt. »Gucci oder Prada wird es ja wohl nicht gewesen sein.«
    »H & M«, bekannte Lou kleinmütig.
    Das Telefon auf seinem Schreibtisch klingelte. Er nahm das Gespräch an. Lou fühlte sich wie eine Idiotin. Sollte sie ihm das zerschnittene Shirt zeigen? Er würde sie auslachen. Als Neumann das Telefonat beendet hatte, legte er das Kinn auf die aufgestützten Hände und sah sie mit einer Mischung aus Vorwurf und Neugier an. »Sie wollen also wirklich wegen eines Shirts, das fünf Euro gekostet hat, eine Anzeige erstatten, die ohnehin zu nichts führen wird. Oder haben Sie eine Vermutung, wer der Dieb sein könnte?«
    »Eigentlich… also ich weiß nicht. Vielleicht mein Chef… oder Sylke… aber die beiden haben natürlich keinen Schlüssel.«
    »Wer hat denn einen Schlüssel?«
    »Nur ich und meine Tante, der die Wohnung gehört.«
    »Ihren haben Sie, nehme ich mal an.«
    Lou nickte. Neumann behandelte sie, als ob sie an Gehirnerweichung litt.
    »Haben Sie denn ihre Tante schon gefragt, ob sie in der Wohnung war oder ob ihr Schlüssel entwendet wurde?«
    »Noch nicht.«
    »Dann machen Sie das mal. Und falls er weg sein sollte, dann kommen Sie wieder. Das ist doch ein Vorschlag. Oder?«

35
    Für den Rest des Tages wirbelte ein Gefühlschaos in ihr. Wut auf Neumann. Scham, weil sie sich nicht besser auf die Anzeige vorbereitet und sich dann während des Gesprächs wie eine Idiotin verhalten hatte. Angst, die sich mit Panik abwechselte wegen des zerschnittenen Shirts, und Zorn auf Julian, der sie auf so üble Art fertigmachte. Natürlich hatte sie die Mittagspause überzogen, was Franziska nicht so prickelnd gefunden und mit einer entsprechenden Bemerkung verziert hatte. Echt ein super Tag!
    Lou war froh, als sie kurz nach fünf die Agentur verlassen und heimfahren konnte. Vor dem Haus zog sie das Handy hervor und setzte sich auf die Bank, auf der an ihrem ersten Tag in München der Prinzipienreiter gesessen und sie beobachtet hatte. Tante Ute meldete sich nach dem zweiten Läuten. Lou fragte wegen des Schlüssels.
    Der ihrer Tante hing am Schlüsselbund. Ob sonst noch jemand einen hatte. Nein. Niemand. Es gab nur diese beiden. Einen für den Mieter. Einen für die Eigentümerin. Es sei denn, einer der Vormieter hätte sich einen Zweitschlüssel anfertigen lassen. Doch dafür brauchte er die schriftliche Erlaubnis des Eigentümers. Natürlich fragte Tante Ute, weshalb Lou das wissen wollte. »Hast du etwa deinen Schlüssel verloren?«
    Eine Sekunde kämpfte sie mit sich. Wenn sie mit der Wahrheit herausrückte, würde Tante Ute mit Mam reden und die mit Pa, und ehe sie sich versah, war hier Schluss mit lustig und sie saß wieder in Straubing in ihrem Zimmer und gab ihre Bewerbung bei Mams Orthopäden ab. Never!
    »Ja«, sagte sie zerknirscht und kruschte dann lautstark im Rucksack herum. »Obwohl… ha, da ist er ja! Falscher Alarm. Sorry, dass ich dich gestört habe.«
    Nach dem Telefonat traute Lou sich nicht ins Haus. Irgendjemand konnte jetzt in ihrer Wohnung sein. Sie brauchte ein neues Schloss, musste also einen Schlüsseldienst googeln. Doch ihr MacBook war oben. Shit! Ein Bodyguard wäre nicht schlecht. Sie wählte Lysanders Nummer, doch sein Handy war aus. Der gewünschte Teilnehmer…

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