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Dein Blick so kalt

Dein Blick so kalt

Titel: Dein Blick so kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Loehnig
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waren noch alle in seiner Wohnung. Bis aufs Handy. Das hatte er bereits weggeworfen. Er hatte es zwar ausgeschaltet, nachdem er ihrem Freund die SMS geschickt hatte, doch er war sich nicht sicher, ob es nicht doch zu orten war. Deshalb lag es nun auf dem Grund der Isar. Ihre restlichen Sachen hatte er nach und nach entsorgen wollen. Unauffällig auf die Mülltonnen der Stadt verteilt. Genau wie bei Daniela. Doch dieser Weg hatte sich als fataler Fehler erwiesen.
    Wohin mit dem Kram? Sollte er alles zusammenpacken, aufs Land fahren und in einer einsamen Kiesgrube ein Feuer machen? Aufmerksame Anwohner konnten ihn womöglich entdecken. Oder sollte er alles in ihre Reisetasche packen, diese mit einem Stein beschweren und die Sachen in einem See versenken? Das war eine gute Idee. Doch welcher See? Er zog eine Landkarte von Oberbayern hervor und kam schnell zum Schluss, dass die Idee ziemlich dämlich war. Es war Hochsommer, Ferienzeit und das Wetter wunderbar. Touristen und Einheimische belagerten die Seen. Sie badeten, fuhren Boot, surften, segelten, umrundeten die Ufer per Rad oder zu Fuß. Er musste auf schlechtes Wetter warten oder die Sache zwischen Mitternacht und Morgengrauen erledigen. Doch er wollte den Krempel nicht eine Stunde länger in der Wohnung haben. Wohin also damit?
    Einen Moment überlegte er, alles in ihr Appartement zurückzubringen. Doch wenn Lous Verschwinden bekannt wurde und die Polizei nach ihr zu suchen begann, würde vielleicht ein übereifriger Kriminaltechniker ihren Krempel auf Spuren untersuchen und daran haftete nun ganz sicher sein genetischer Code. Und wenn er auch an Danielas Netbook gefunden wurde, gab es eine Verbindung zwischen beiden Fällen. So ging das also nicht.
    Ein Schließfach im Hauptbahnhof. Das war eine gute Idee. Zwar nicht auf Dauer. Aber bis ihm etwas Besseres einfiel. Den Schlüssel konnte er hier in der Wohnung verstecken. Und zwar so, dass die Polizei ihn nicht finden würde, falls sie wirklich bei ihm auftauchen sollte. Die Vorstellung wie KHK Mertens in seiner Wohnung herumschnüffelte, verursachte ihm Magenschmerzen. So weit durfte es nicht kommen. Verfluchtes Netbook. Verfluchter Müllmann! Verdammter Fehler! Doch es half nichts, sich zu ärgern. Er brauchte eine Idee. Und zwar eine gute.
    Er ging in der Wohnung auf und ab. Bewegung brachte seine Gedanken in Schwung. Dabei wurde er durstig. Nachdem er einen halben Liter Cola getrunken hatte, ging er ins Bad und cremte die Haut an den Beinen ein. Seit einigen Wochen juckte sie ständig. In der Drogerie hatte er sich deshalb eine Lotion besorgen müssen. Dann nahm er seine Wanderung wieder auf. Ging hin und her. Hatte eine Idee, feilte sie aus. Nachdem er sicher fünf Kilometer zurückgelegt hatte, wusste er, was er tun würde.

53
    Russo hörte sich geduldig an, was Lysander zu erzählen hatte, und machte Notizen. Ab und an stellte er eine Frage. Stutzig wurde er, als er hörte, dass Lou erst seit fünfzehn Stunden abgängig war. Normalerweise nahm die Polizei frühestens nach vierundzwanzig Stunden Vermisstenmeldungen auf. Denn die meisten vermeintlich Vermissten tauchten innerhalb dieses Zeitraums ganz von alleine wieder auf.
    »Ist Lou eigentlich volljährig?«
    »Sie ist erst siebzehn.«
    »Sehr schön.« Russo lehnte sich im Stuhl zurück. »Das erleichtert uns die Begründung für eine aufwendige Suche«, fügte er erklärend hinzu. »Erwachsene haben ein Aufenthaltsbestimmungsrecht. Sie können einfach untertauchen, ohne dass wir nach ihnen suchen dürfen. Nur wenn es Anzeichen für ein Verbrechen gibt oder Hinweise auf eine Suizidgefährdung oder jemand auf lebenswichtige Medikamente angewiesen ist, dann leiten wir eine Suchaktion ein. Sonst nicht. Bei Minderjährigen ist das anders.«
    Lysander wurde ruhiger. Endlich hörte ihm jemand zu und nahm ihn ernst. Endlich wurde etwas unternommen, um Lou zu finden. Russo fragte ihm in der folgenden halben Stunde ein Loch in den Bauch. Namen und Anschrift der Eltern, des Onkels und der Tante. Die der Tante kannte Lysander nicht. Dann wollte er Namen, Adressen und Telefonnummern von Freunden, so weit sie Lysander bekannt waren. Viele waren es nicht. Lysander erklärte, dass er bei allen nachgefragt hatte. Niemand hatte seit gestern Nachmittag etwas von Lou gehört.
    Russo fragte auch nach den Daten von Lous Arbeitgeber und wo Lou sich beim letzten Telefonat mit ihr befunden hatte. »Sie war mit dem Rad unterwegs und auf dem Weg nach Hause. An der Uni hat sie Rast

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