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Dein Blick so kalt

Dein Blick so kalt

Titel: Dein Blick so kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Loehnig
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Onkel klang ganz und gar nicht mehr so, als würde er sich amüsieren. »Das ist unmöglich. Das ist ein Irrtum. Eine Verwechslung.«
    »Sehen Sie selbst.«
    Offenbar reichte Russo Lous Onkel das Bild. Einen Augenblick war es still. »Gut, es gibt eine gewisse Ähnlichkeit. Sehr vage. Aber das bin nicht ich. «
    »Nun ja«, räumte Russo ein. »Natürlich ist es nur eine Zeichnung und kein Foto. Wären Sie denn zu einer Gegenüberstellung bereit, um diesen Irrtum auszuräumen?«
    »Eine Gegenüberstellung? Sie meinen mit dieser Zeugin?«
    »Das wäre doch das Einfachste.«
    »Und wenn ich das nicht will?«
    Für einen Moment herrschte Schweigen. Lysander sah es beinahe vor sich, wie Russo sich übers Kinn fuhr. »Sie haben kein Alibi. Sie sehen dem Phantombild ähnlich. Ich würde Sie vermutlich vorläufig festnehmen, um die Gegenüberstellung durchzuführen.«

56
    Lou starrte an die Wand. Eine Spinne krabbelte über den rauen Verputz und verschwand hinter der grauen Isolierung, mit der ein Rohr ummantelt war. Es war eine kleine Spinne, geradezu winzig. Lou hatte einfach keine Kraft, ihretwegen in Panik zu verfallen. Es war nur eine Spinne. Und die tat ihr nichts. Vermutlich war es die einzige Spinne in diesem Keller. Jedenfalls hatte Lou nicht eine einzige entdeckt, nachdem ihr hysterischer Anfall vorübergegangen war. Wie hatte sie nur derart ausflippen können? Wegen Spinnen? Wegen eingebildeter Spinnen. Total durchgeknallt. Völlig gaga. Und das ging nicht, wenn sie heil hier rauskommen wollte.
    Sie drehte sich auf die andere Seite, zog die Decke fester um sich und sah nun auf die Mauer, hinter der die Öltanks standen. Was Lysander jetzt wohl tat? Sicher war er zur Polizei gegangen, als sie einfach nicht aufgetaucht war. An ihrem Baum am Flaucher. Bestimmt suchten tausend Polizisten nach ihr und bald würde man sie finden. Ganz sicher.
    Lysander. Sie sehnte sich so nach ihm. Sein Beoblick fehlte ihr. Seine Stimme. Wenn dieser Albtraum doch nur schon vorüber wäre. Er würde doch vorübergehen? Oder nicht? Er musste. Alles andere war unvorstellbar.
    Welcher Tag war heute? Wie viele Nächte hatte sie schon hier verbracht? Zwei oder drei? Oder sogar schon mehr?
    Nein, mehr als drei konnten es nicht sein. Wobei ihr das Gefühl für Tag und Nacht abhandengekommen war und sie keine Möglichkeit hatte nachzusehen. Ihr Handy war weg. Mister Arschloch war ja nicht blöd. Natürlich hatte er es ihr abgenommen.
    Es war Abend gewesen, als er sie mit einer Spritze außer Gefecht gesetzt und in diesen Keller verschleppt hatte. Wie lange hatte sie hier bewusstlos gelegen? Stunden oder Tage?
    Die Wasserflasche war längst leer. In der Plastikflasche Cola schwappte nur noch ein Rest. Sie war in der Tüte gewesen, zusammen mit einem Kissen und der Decke. Wenigstens musste sie nicht auf dem Boden schlafen. Und dafür war sie Mister Arschloch beinahe dankbar. Dankbar? Ging’s noch? Was war nur mit ihr los?
    Zwei Tage. Es konnten erst zwei Tage sein. Oder doch schon drei? War es jetzt Morgen oder Abend? Sie hatte keine Ahnung und horchte in sich. Ihr Magen fühlte sich stumpf und leer an. Sie hatte Durst, setzte sich auf und griff nach der Cola. Ein Schluck und die Flasche war leer.
    Weshalb ließ Mister Arschloch sich nicht blicken?
    Weil er feige war. Eine feige, miese Ratte.
    Was, wenn er wirklich nicht kam?
    Fassungslos sah sie auf die beiden leeren Flaschen. Dann würde sie hier verhungern und verdursten. Wie hatte sie nur so dämlich sein können! Sie hätte sich das einteilen müssen!
    Sie würgte die Panik hinunter, die sich wieder bemerkbar machte. Ein Plan. Sie hatte doch einen Plan gehabt. Erstens: Umgebung erkunden! Zweitens: Einen Weg nach draußen finden!
    Genau. Das würde sie tun. Und dann abhauen. Und goodbye, Mister Arschloch. Sie rappelte sich auf, sammelte ihre Kräfte und zog sich über die Mauer. Die graue Platte an der Außenmauer hinter den Öltanks, an die musste sie ran. Dahinter verbarg sich vielleicht ein Fenster.
    Diesmal schaffte sie es, ohne hysterischen Anfall bis an die Außenwand des Kellers vorzudringen. Doch der Abstand zwischen den Ölbehältern und der Kellerwand war zu schmal. Da passte sie nicht rein. Sie presste sich daran, streckte den linken Arm aus und schaffte es, mit den Fingerspitzen die Platte zu berühren. Sie fühlte sich kalt an. Metall und nicht Holz. Sie ertastete Schrauben. Wie sollte sie die rausdrehen? Sie kam nicht nah genug heran und selbst wenn sie das irgendwie schaffte,

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