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Dein Blut auf meinen Lippen

Dein Blut auf meinen Lippen

Titel: Dein Blut auf meinen Lippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Gabe
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ihre Mutter noch mehr bedrängte.
    "Ich schicke die Amme zu dir herein, damit sie dich ein wenig zurechtmacht. Du siehst furchtbar aus", sagte die Gräfin im Hinausgehen. Sie war schon an der Tür, als sie sich noch einmal umdrehte. "Im Übrigen warten wir noch auf eine ernstgemeinte Entschuldigung, vergiss das nicht!"
    "Nein, Mutter", versprach Julia und kreuzte die Finger hinter ihrem Rücken.

 

    Noch nie hatte Romeo Bruder Lorenzo enthusiastischer begrüßt als an diesem Morgen. Schon als er ans Klostertor geklopft hatte, war er ganz aufgeregt gewesen - und das, obwohl er die ganze Nacht kein Auge zugetan hatte. Der Mönch hingegen schien bei Romeos Anblick nicht annähernd so erfreut zu sein. Es war kurz nach sechs, und die meisten Klosterbrüder schliefen noch. Aber Romeo wusste, dass der gute Mann ihn zu allen Tages- und Nachtzeiten willkommen heißen würde.
    "Gott sei mit dir, Bruder! Ist das nicht der schönste Tag, den der Herrje hat werden lassen?", sagte Romeo, packte den Mönch bei den spindeldürren Armen und schüttelte ihn.
    Bruder Lorenzo war so dünn, dass seine braune Ordenskutte an ihm herunterschlotterte. Er war nicht mehr ganz jung und sah müde aus. Mit Mühe konnte er ein Gähnen unterdrücken.
    "Was gibt es denn? Der Tag hat doch gerade erst angefangen. Was soll da schon Großes passiert sein?"
    "Du irrst dich, Bruder! Ich habe die Sonne aufgehen sehen, und das ist bereits eine ganze Weile her", widersprach Romeo augenzwinkernd. "Darf ich reinkommen?"
    "Natürlich." Bruder Lorenzo machte die Tür weit auf und ließ Romeo herein.
    "Danke, Bruder."
    Ohne die Tür wieder zu schließen, führte Bruder Lorenzo ihn durch die Eingangshalle in eine kleine, einfache Küche, wo ein metallener Topf auf einem gusseisernen Herd stand. Aus dem Topf dampfte es, und es roch nach Haferflocken mit Zimt.
    "Du scheinst unversehrt zu sein", sagte Bruder Lorenzo. "Daraus schließe ich, dass die geweihten Knoblauchzehen beim Ball der Capulets ihre Wirkung getan haben."
    "Ja, sie haben die Wachen von uns ferngehalten", erwiderte Romeo. "Ich wünschte, ich könnte dasselbe von den Wachhunden sagen."
    Bruder Lorenzo zuckte zusammen. "Ach, herrje, wie konnte ich die nur vergessen?"
    "Kann es sein, dass du alt wirst?", fragte Romeo scherzhaft. "Aber keine Sorge, mein Guter. Wir sind den Biestern unbeschadet entkommen."
    "Da bin ich aber erleichtert."
    "Auch haben wir uns an Fürst Radus Friedensvertrag gehalten", sagte Romeo stolz. "Wir haben niemandem Schaden zugefügt."
    "Dank sei dem Herrn! Ich freue mich, das zu hören."
    Der Mönch ging an den Topf und rührte den Haferbrei mit einem Holzlöffel um. Romeo folgte ihm, blieb aber wie angewurzelt stehen, als er in einem glänzenden Messingkessel sein Spiegelbild sah. Er hatte die Nacht im Freien verbracht, von Julia geträumt und die Sterne betrachtet. Da war es kein Wunder, dass er dunkle Ringe unter den Augen und Grashalme im Haar hatte. Umso erstaunlicher war es, wie frisch und unternehmungslustig er sich fühlte. Seine Laune stand in krassem Gegensatz zu seinem Äußeren. Es war, als hätte Julia jede Zelle seines Körpers neu belebt.
    "Hast du Hunger? Ich habe Haferbrei gekocht." Bruder Lorenzo füllte etwas in eine Schüssel.
    "Nein, mein Bauch ist so voll wie mein Herz", antwortete Romeo. "Ich glaube, ich brauche wochenlang nichts mehr zu essen, aber ich halte es keinen Tag ohne meine Geliebte aus."
    "So spricht ein Mann, der von Amors Pfeilen getroffen wurde." Bruder Lorenzo lächelte vergnügt und begann, im Stehen seinen Haferbrei zu löffeln. "Dann hat Rosalinde dich also endlich erhört. Ich freue mich für dich."
    Romeo fragte sich besorgt, was der Mönch wohl sagen würde, wenn er erfuhr, dass es Julia war, der er einen Heiratsantrag gemacht hatte. Doch dann beruhigte er sich mit dem Gedanken, wie verständnisvoll der Mönch zugehört hatte, als er ihm vor einigen Wochen von Rosalinde erzählt hatte. Genau wie Julia war sie eine Capulet, und so schien seine Sorge unbegründet.
    "Rosalinde war nur eine vorübergehende Liebelei", erklärte er. "Ich habe sie gar nicht getroffen, als ich im Schloss war."
    "Verzeih, Romeo, aber das verstehe ich nicht", sagte der Mönch mit vollem Mund. "Wenn Rosalinde nicht hinter deinem Liebestaumel steckt - wer dann?"
    "Ihre Cousine Julia."
    Beinahe verschluckte sich Bruder Lorenzo an seinem Haferbrei und musste sich auf die Brust klopfen, ehe er ihn herunterschlucken konnte. "Doch nicht etwa Graf Capulets

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