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Dein Ende wird dunkel sein (German Edition)

Dein Ende wird dunkel sein (German Edition)

Titel: Dein Ende wird dunkel sein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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betritt. Vorige Woche mussten wir das bucklige Eis auf dem Bach aufhacken, um Wasser zu holen. Jetzt gibt es gar kein Wasser mehr, und wir holen einen Eimer mit Eis in die Hütte.
    Die Vögel sind fort. Die Klippen sind still. Man hat das Gefühl, dass etwas lauert.
    12. Oktober
    Noch vier Tage, bis die Sonne endgültig verschwindet.
    Die Morgendämmerung kommt, wird zur Abenddämmerung, mit nichts dazwischen. An den vergangenen drei Tagen haben wir wegen des Nebels nicht einmal das gesehen. Das Lager ist eine im Grau schwimmende Insel. Keine Farben, nur Grau. Und Stille.
    Man spürt eine fortwährende Beklemmung. Es ist kindisch, aber wahr: Man fürchtet, das letzte bisschen Sonne zu verpassen. Jeden Tag wacht man auf und sagt sich, der Nebel wird sich doch sicher gelichtet haben? Hat er aber nicht. Und gegen Mittag weiß man, dass man wieder vierundzwanzig Stunden tiefe, graue Stille vor sich hat. Und wenn der Nebel sich nicht lichtet, bevor es zu spät ist?
    Vermutlich schlafe ich deswegen nicht besonders gut. Ich weiß, dass ich Träume habe, düstere, erschöpfende; denn ich wache ruhelos auf und habe das Gefühl, mit etwas gerungen zu haben. Doch ich kann mich nicht erinnern.
    Das geht nicht nur mir so. Algie steht in der Nacht auf, Gus stöhnt im Schlaf. Und manchmal komme ich herein, und sie unterhalten sich, verstummen aber, wenn sie mich sehen. Es sollte mir nichts ausmachen, tut es aber. Es schmerzt. Ich dachte, die Sache mit der Robbe hätte Gus die Augen geöffnet. Er wird sich doch gewiss nicht wieder Algie zuwenden? Auch die Hunde sind unruhig. Und wenn wir sie losbinden und laufen lassen, rennen sie immer zur Ostseite der Bucht, nie nach Westen.
    Heute war ich mit den Fünf-Uhr-Ablesungen an der Reihe. Es war natürlich dunkel, aber sogar im Nebel erzeugt der Schnee einen matten grauen Schein. Man findet sich zurecht, wenn man das Gelände kennt, und obgleich man keine Gesichter ausmachen kann, unterscheidet man Lebewesen an der Art, wie sie sich bewegen: einen Polarfuchs, einen Hund, einen Menschen.
    Der Atem knisterte in meinen Nasenlöchern, als ich zur Wetterhütte stapfte. Ich musste auf meine Schritte achten. Vor fünf Tagen hat es geregnet, unter dem Schnee ist Eis, das ist tückisch.
    Es gefällt mir nicht, dass man Geräusche mit sich bringt. Es gefällt mir nicht, dass die Kapuze das Blickfeld einschränkt, sodass man nicht weiß, was hinter einem ist.
    Vorige Woche wollte ich Isaak mitnehmen, an einem Strick, den ich an seinem Geschirr befestigt hatte. Es war nicht möglich. Er war ängstlich, hat gekeucht und die Ohren angelegt. Ich vermute, weil die Wetterhütte nur ungefähr dreißig Meter von den Felsen entfernt ist, und die sind ihm aus irgendeinem Grunde nicht geheuer. Vielleicht ist es auch nur, weil die See ihm Angst macht.
    Wir sind alle ein bisschen angespannt. Es wird besser werden, sobald die Sonne endgültig verschwunden ist und wir sie vergessen und unserem Tagwerk nachgehen können.
    16. Oktober
    Ich habe es gesehen.
    Beim Schreiben dieser Worte bricht mir der kalte Schweiß aus. Aber ich muss es festhalten. Ich muss eine vernünftige Erklärung finden.
    Kurz vor Mittag hat es sich aufgeklärt, sodass uns der letzte Blick auf die Sonne doch noch vergönnt war. Gus war mit den Ablesungen an der Wetterhütte an der Reihe, ich bin aber mitgegangen, um die Sonne auf- und untergehen zu sehen – was zu dieser Zeit so ziemlich dasselbe ist. Algie ist drinnen geblieben. Er sagt, es wäre ihm unheimlich, sie verschwinden zu sehen. Diesmal schlug niemand einen Whisky zur Feier des Ereignisses vor.
    Zwielicht. Hinter den Vogelklippen der rote Schimmer der Morgendämmerung, doch im Westen war es Nacht: der kalte Glanz der Sterne. Die schwarzen Bergspitzen ragten aus dem Schnee. Eis ließ die Walgerippe am Ufer glitzern, und die zur See abfallenden Felsen waren weiß und glatt. Das Wasser war dunkellila, bewegt und befremdend.
    Wir sahen, wie der Himmel blutrot entflammte, als die Sonne sich mühte aufzugehen. Wir sahen ein Feuerband. Eine totgeborene Morgendämmerung. Die Sonne gab sich geschlagen und versank wieder.
    Verschwunden.
    Ich schloss die Augen, und da flammte sie noch hinter meinen Lidern. Ich machte sie auf. Verschwunden. Ein karmesinroter Schimmer war alles, was geblieben war.
    «Das war es dann», sagte Gus leise.
    Vier Monate ohne Sonne. Es mutet unwirklich an.
    Die Hunde in ihrer Hütte begannen zu heulen.
    «Sie spüren es auch», sagte Gus.
    Ich rang mir ein Lächeln

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