Dein Ende wird dunkel sein (German Edition)
zu atmen, die Arme steif an die Seiten gepresst. Grauen stieg in mir auf, eine schwarze Flut, die mich ertränkte …
Hinter mir das Tapsen von Pfoten.
Mit einem Stöhnen riss ich mich los. Stolperte rückwärts. Meine Schneeschuhe gerieten über Kreuz. Ich fiel.
Isaak erschien im Strahl der Stirnlampe und blieb stehen, die Ohren gespitzt, den buschigen Schwanz erhoben. Seine Augen reflektierten silbern glitzernd das Licht.
Als ich mich auf die Knie erhob, kam er schwanzwedelnd zu mir. In seinen beiden silbernen Augen spiegelte sich ein dunkler, runder Kopf.
Ich brauchte einen Moment, um mich selbst zu erkennen.
[zur Inhaltsübersicht]
11
Ich schaffte es, auf die Veranda zu gelangen. Riss die Türe auf und knallte sie hinter mir zu. Zerrte mir die Schutzkleidung vom Leib. Stolperte durch den Flur. In die Schlafkammer. In den Hauptraum. Mein Taschenlampenstrahl durchschnitt das Dunkel. Mein Atem dampfte.
Ich versuchte, eine Lampe anzuzünden, doch meine Hände zitterten zu sehr. Ich fand eine Handvoll Birkenrinde und warf sie zusammen mit ein paar Zweigen in den Ofen. Irgendwann gelang es mir, sie zu entzünden. Ich kauerte nieder, starrte durch die Finger hindurch in die Flammen. Ich hörte das Geräusch in meinem Kopf. Spürte noch immer diese Präsenz.
Mir klapperten die Zähne, meine Kleidung war von eisigem Schweiß durchtränkt. Ich stolperte zurück in die Schlafkammer, schnappte mir trockene Sachen, zog mich vor dem Ofen aus und wieder an. Ich fand eine Flasche Scotch, schüttete mir etwas in einen Becher und stürzte es hinunter.
Der Whisky beruhigte mich. Mir gelang es, eine Lampe anzuzünden. Und noch eine und noch eine. Plötzlich hatte ich Heißhunger. Ich machte mir Kaffee und Porridge. Ich schlang es herunter wie ein Mann, der kurz vor dem Verhungern ist. Ich rannte zum Nachttopf und übergab mich.
Ich sehnte mich nach Stimmen. Nach Normalität. Ich versuchte es mit dem Radio. Der Empfänger musste aufgeladen werden. Fluchend setzte ich mich auf den Fahrradgenerator, ohne zu den Fenstern zu sehen. Ich stellte das Empire-Programm ein. Ein Hörspiel. Das Klirren von Teetassen, das spröde Geplapper von Frauen.
Ich trat ans Nordfenster, legte die Hände an die Scheibe und spähte hinaus. Die Hunde waren zurück: Einige lagen zusammengerollt da, die Schwänze über die Schnauzen gelegt, einige kauten friedlich Schnee. Den Bärenpfosten schienen sie nicht wahrzunehmen.
Er stand drei Meter vom Fenster entfernt. Nur ein Stück Holz, sagte ich mir. Ein Stück Treibholz.
Ich trat zurück und setzte mich an den Tisch. Mein Mund schmeckte bitter vor Galle. Ich habe diese Geräusche gehört. Ich habe diese Präsenz gespürt. Ich habe mir das nicht eingebildet.
Das Hörspiel war zu Ende. Die ruhige, effiziente Stimme der BBC kündigte den nächsten Programmpunkt an.
Meine Armbanduhr sagte mir, dass es zehn Uhr war. Um acht war ich zu meinem Spaziergang aufgebrochen. Nur zwei Stunden? Wie war das möglich? Es kam mir vor wie eine Ewigkeit.
Ich brauchte unbedingt etwas, um die Panik zu bekämpfen. Etwas, das die Geräusche vertrieb.
Ich erhob mich mühsam, wankte zum Bücherregal, fand Gus’ Tagebuch und schlug es auf. Zum Teufel mit dem Respekt vor seiner Privatsphäre. Ich brauchte ihn.
Der Anblick seiner Handschrift machte mir augenblicklich Mut. Sie war rund wie die eines Schuljungen, und manchmal hatte er vor lauter Begeisterung sogar das Papier angeritzt. Die Seiten waren gefüllt mit Naturbeobachtungen – Vögel, Weichtiere, Pflanzen –, durchsetzt mit Betrachtungen über die Arktis und die Charaktere norwegischer Robbenfänger. Ich verschlang alles mit den Augen, je langatmiger, desto besser.
Wie ich erwartet hatte, hielt Gus sich meist an die Fakten, beinahe ohne Emotionen; vermutlich werden die einem in Harrow gründlich ausgetrieben. Über Algie schwieg er sich größtenteils aus, doch mich hatte er ein paar Mal erwähnt, und natürlich stürzte ich mich darauf.
Ich vermute, Jack kann Algie nicht besonders gut leiden , hatte er am 31. Juli geschrieben, jenem Tag, als wir Spitzbergen zum ersten Mal erblickten. Wann immer Algie eine seiner derben Bemerkungen macht, was weiß Gott oft genug geschieht, sehe ich, wie Jacks Kiefer sich strafft. Ich vermute, das liegt an der schieren körperlichen Anstrengung, derer er bedarf, um Algie nicht niederzuschlagen. Im Grunde ist es wirklich amüsant. Das brachte mich zum Lächeln. Gus hatte es fast noch früher als ich selbst bemerkt.
Dann,
Weitere Kostenlose Bücher