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Dein Ende wird dunkel sein (German Edition)

Dein Ende wird dunkel sein (German Edition)

Titel: Dein Ende wird dunkel sein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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der sich an die uralte Dunkelheit in den Höhlen erinnert – fragt sich, ob ich mich womöglich täusche.
    3. November
    Was für ungeheuren Blödsinn ich gestern Abend geschrieben habe. «Die uralte Dunkelheit in den Höhlen»! Ich habe mich von diesem verfluchten Ding packen lassen. Das muss ein Ende haben.
    Nun, das hat es jetzt auch.
    Heute war ein schrecklicher Tag. Wenn ich nicht gerade durchs Fenster spähte, musste ich mich davon abhalten hinauszusehen; das bedeutete, selbst wenn ich gerade etwas anderes tat, konnte ich doch an nichts anderes denken. Das war so anstrengend, dass ich nach dem Mittagessen ein Nickerchen brauchte.
    Um drei Uhr bin ich wieder aufgewacht, benommen und mit schwerem Kopf. Als Allererstes schleppte ich mich ans Fenster, um hinauszusehen.
    Ich wollte gerade den Vorhang zur Seite ziehen, als mir klarwurde, was ich tat. Himmel, Jack, wenn du so weitermachst, verlierst du noch den Verstand.
    «Damit ist jetzt Schluss!», rief ich. «Schluss damit!»
    Ich fuhr in meine Anziehsachen, griff nach einer Taschenlampe und der Axt und stürzte hinaus in die Finsternis.
    Die Hunde spürten, dass etwas in der Luft lag, und schwirrten um mich herum.
    «Schluss damit!», keuchte ich.
    Wie einen Schutzzauber sagte ich es immer wieder laut vor mich hin, während ich die Axt schwang und das verfluchte Ding niederriss. Ich zielte ganz tief, um die dunklen Flecken weiter oben am Stamm nicht zu treffen. Ich wollte nicht, dass meine Axt sie berührte. Der Pfosten war hart wie Granit. Er wollte nicht gefällt werden. Die Hunde standen dicht aneinandergedrängt hinter mir. Sie waren ausnahmsweise still. Als der Pfosten schließlich knarzend wankte und dann krachend in den Schnee fiel, rasten sie mit eingeklemmten Schwänzen davon.
    Keuchend hackte ich das verfluchte Ding in Stücke. Ich ließ sie im Schnee liegen. So. Dieser Haufen Treibholz kommt mir nicht auf den Holzstoß für den Ofen. Der Gedanke, dem Holz Zugang zur Hütte zu gewähren, ist mir äußerst zuwider.
    Eben habe ich zum Nordfenster hinausgesehen. Gut. Sehr gut. Nichts als ein verschneiter Hügel hinunter zur See. Nicht einmal die Holzstücke sind zu sehen. Außerdem hat es angefangen zu schneien, und schon bald werden sie verschwunden sein. Es ist, als hätte der verfluchte Pfosten nie existiert.
    Das hätte ich schon vor Wochen tun sollen. Ich weiß wirklich nicht, was mich so lange davon abgehalten hat.
    Später
    Eine Stunde nachdem ich den Bärenpfosten gefällt hatte, begann der Sturm. Dichte Schneewehen, und der Wind rüttelte heulend an den Fenstern.
    Mein erster Gedanke war, ich hätte ihn heraufbeschworen. Ich hätte den Dämon des Sturms befreit. Die alte Geschichte von Ursache und Wirkung, der menschliche Instinkt, aus allem Schlüsse zu ziehen. Schön zu wissen, dass es mit meinem logischen Denkvermögen auch nicht viel weiter her ist als mit dem eines Wilden.
    Der nächste Gedanke galt den Hunden. Dieser Sturm kann durchaus eine ganze Weile andauern. Was soll ich tun? In die Hütte holen kann ich sie nicht, sie würden hier alles zu Kleinholz machen. Das Beste wird sein, ich füttere sie bereits jetzt, ehe es draußen noch schlimmer wird. Was das Wasser betrifft, so werden sie mit Schnee vorliebnehmen müssen. Daran wenigstens herrscht kein Mangel.
    Wir haben das Hundefutter auf dem Speicher über dem Flur verstaut, weil das Robbenfleisch dort gefroren bleibt. Dank Algie gibt es davon reichlich, außerdem Kisten über Kisten Pemmikan für die Hunde. Ich stopfte Klumpen von Robbenfleisch in einen Sack, machte die Türe auf – und der Wind traf mich wie ein Fausthieb. Fliegende Eispartikel scheuerten in meinem Gesicht (ich hatte die Sturmhaube vergessen). Vornübergebeugt stolperte ich den Plankenweg entlang, während mir der Wind in den Ohren pfiff und an meinen Kleidern zerrte. Durch den geöffneten Türschlitz der Hundehütte streifte meine Taschenlampe verschneite Hügelchen, die aufsprangen, sobald ich das Fleisch hineinwarf. Die Hunde schienen unbeeindruckt von dem Sturm und erfreut über das vorzeitige Abendessen.
    Brennstoff , dachte ich, als ich mich zurückkämpfte. Ausreichend Holz und ein Fass Paraffin.
    Ich brauchte Stunden, um alles in den Flur zu wuchten. Danach musste ich den Schnee hinausfegen, der ebenfalls mit hereingekommen war.
    Es ist beinahe Mitternacht, und noch immer rüttelt der Sturm an der Hütte. Er lässt den Schnee gegen die Fenster prasseln wie Kieselsteine und heult im Ofenrohr. Er lässt jede

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