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Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Titel: Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marias
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von unserem Eheleben oder der nicht vergessenen Liebe war Luisa für mich einer der Menschen, deren Gesellschaft man sucht und zu schätzen weiß und die fast allein für jeden Kummer entschädigen, und man freut sich schon den ganzen Tag darauf – das ist es, was uns rettet –, wenn man weiß, daß man sie am Abend vorfinden wird wie einen Lohn für geringe Mühen; mit denen man sich sogar in schlechten Zeiten wohlfühlt und bei denen man das Gefühl hat, wo sie sind, da ist das Fest; deshalb fällt es so schwer, auf sie zu verzichten oder aus ihrer Nähe verstoßen zu werden, weil man glaubt, ständig etwas zu verpassen oder – wie soll ich sagen – am Rand zu leben. Der Gedanke, daß diese Menschen sterben könnten, ist uns unerträglich: Selbst wenn wir weit weg von ihnen sind und sie nie wieder sehen, wissen wir, daß es mit ihnen noch nicht zu Ende ist und daß ihre Welt existiert, die Welt, die sie mit ihrer bloßen Ausströmung oder ihrem Atem schaffen; daß die Erde sie beherbergt und sie somit ihren Raum und ihr Zeitgefühl bewahren, von denen man aus der Ferne träumen kann: ›Da ist dieses Haus‹, denken wir, ›da ist diese Atmosphäre mit ihren Schritten, dieser Tagesrhythmus, die Musik der Stimmen, der Duft der Pflanzen, die sie pflegt, und diese Pause ihrer Nacht; ich nehme nicht mehr daran teil, aber da ist das Lachen, da sind die Scherze und Späße und die heiteren Freunde, von denen Cervantes sich verabschiedete, als er im Sterben lag, ›und hoffe dabei, euch bald zufrieden im Jenseits wiederzusehen‹. Und zu wissen, daß dies alles da ist, hilft, zu begreifen, daß es für uns zwar Erinnerung ist, aber nicht für alle Welt, daß es für mich vergangen ist, aber noch nicht wirklich oder in einem absoluten Sinn – das ist nur ein unglücklicher Zufall oder Pech oder mein Fehler, daß ich es täglich als gewesen wahrnehme –, daß andere eintreten und hinausgehen und es genießen, ohne allzusehr darauf zu achten, wie auch wir es nicht taten, als wir Teil dieser Atmosphäre und dieses Rhythmus waren, der Scherze und der Späße, der Musik dieses Hauses und selbst der Pause in ihrer leisen Nacht. Daß es nicht nur ein angenehmer Traum war oder etwas aus einem vorgestellten anderen Leben.‹ Da war ich also und stellte fest, daß sie noch fortdauerte, und wollte nicht gehen. Vor meinen Augen stand die Person, die die Feier repräsentierte, mit ihrem Humor und ihrer Bestimmtheit und ihrem häufigen Lächeln und sogar mit ihren hohen Absätzen. Bis zu einem gewissen Punkt genügte es, zu wissen, daß sie nicht geendet hatte, daß sie noch ihren Fuß auf die Erde setzte und noch die Welt durchquerte, daß sie sich nicht bereits halbwegs in Sicherheit befand im unvollkommenen, ungewissen Vergessen, oder schon auf der Seite der Zeit, wo sich die Toten unterhalten.
    Und doch gab es da jetzt eine Drohung, oder noch schlimmer, es gab bereits einen sichtbaren Schaden, den ihr jemand zugefügt hatte und der sich womöglich in noch gravierenderer Form wiederholen würde, wer wußte das schon (wer weiß, wann irgend etwas eintritt, wenn es erst einmal angefangen hat). Was ich sehr wohl wußte, war, daß es mich nicht weiterbringen würde, in sie zu dringen: Wenn sie sich entschloß, von etwas nicht zu erzählen oder darüber zu reden, dann war es unmöglich, sie umzustimmen, ich würde versuchen müssen, auf anderen Wegen etwas herauszufinden, auf welchen, fiel mir im ersten Augenblick nicht ein, mit Ausnahme der Kinder, die ich dafür nicht benützen wollte, doch dann überraschte ich mich bei dem Gedanken: ›Ich kann immer noch Tupra um Hilfe bitten.‹ Wenn er, wie ich vermutete, von Pérez Nuix’ Nacht bei mir und von unserer Abmachung hinter seinem Rücken erfahren hatte; wenn somit der Gefallen, den ich ihr getan hatte, nutzlos geblieben und Incompara daraus kein Vorteil erwachsen war, und wenn der Vater der jungen Frau in der Folge für seine wiederholten Schulden verprügelt worden war und Reresby mich das außerdem noch hatte ansehen lassen (Billardqueues; bestimmt, um mich über mein Scheitern in Kenntnis zu setzen und damit ich mir das eine Lehre sein ließ), so würde es ihm keine Schwierigkeiten bereiten, mir den Namen des Kerls zu beschaffen, mit dem Luisa ausging, auch wenn das in einem anderen Land war und das Mädchen, zum Glück, noch nicht tot. Das war eine meiner Sorgen während der Zeit in London gewesen, seit meinem Weggang, sooft ich daran dachte, wer mich früher oder später

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