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Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Titel: Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marias
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ersetzen würde, hatte mich unter den möglichen Gestalten immer die des despotischen und besitzergreifenden Mannes erschreckt, der unterwirft und isoliert und nach und nach seine Forderungen und seine Verbote einflüstert, verkleidet als Verliebtheit, Schwäche und Eifersucht, als Schmeichelei und Bitten, die des Hinterhältigen, der die ersten Einladungen ablehnt, das Kissen zu teilen, um nicht als Eindringling zu erscheinen und nicht das leiseste Anzeichen von Invasion oder Expansion erkennen zu lassen, und der sich am Anfang stets zuvorkommend, respektvoll und sogar behutsam zeigt; bis er am Ende eines Tages – oder vielleicht in einer regnerischen, weltabgeschiedenen Nacht –, wenn er sich das fremde Territorium schon ganz und gar angeeignet hat und Luisa weder Tag noch Nacht atmen läßt, seine großen Hände um ihren Hals schließt, während die Kinder – meine Kinder – aus einer Ecke zusehen, an die Wand gepreßt, als wollten sie, daß sie nachgebe und verschwinde und mit ihr der böse Anblick und das unterdrückte Weinen, das sich Bahn brechen möchte, aber es nicht schafft, der böse Traum und das andauernde, seltsame Geräusch, das ihre Mutter im Sterben von sich gibt. Um diesen Alptraum zu vertreiben, hatte ich immer gedacht: ›Doch nein, dazu wird es nicht kommen, dazu kommt es nicht, ich werde dieses Glück nicht haben und nicht dieses Unglück (Glück in der Vorstellung und in der Wirklichkeit Unglück) …‹. Nun traf ich in Form eines blauen Auges oder eines Auges mit wechselnden Farben auf einen realen Umriß dieser furchtbaren Einbildung und darauf, daß es auf diesem Gebiet der Realität nicht einen Tropfen Glück gab, sondern ein Meer von Unglück, das alles überschwemmte und das Imaginäre verscheuchte, ja beseitigte, diese Sphäre existierte nicht mehr, oder ist es so, daß es sie nie gleichzeitig mit der sicheren Gefahr geben kann: In Spanien finden sich allzu viele bösartige Feiglinge, die Jahr für Jahr ihre Frauen umbringen oder diejenigen, die es waren oder die diese Typen zur Frau gewollt hätten, und manchmal metzeln sie auch deren Kinder nieder, um ihnen noch mehr weh zu tun, das ist eine Plage, gegen die weder Überzeugungsarbeit noch Drohungen noch Gesetze noch härtere Strafen helfen, denn diese Kerle scheren sich nicht um die Außenwelt, und ihnen rutscht die Hand nur deshalb bis zum Anschlag aus, weil sie die Frauen so grundlegend lieben oder hassen, daß sie ohne sie nicht leben können, und dabei wissen sie dasselbe, was ich von Luisa weiß und was mich im Gegensatz zu ihnen in meiner Traurigkeit erfreut (das heißt, es tröstet mich): daß jene weiter auf der Welt sind und nur für uns oder für diese Männer vergangen sein wollen oder sind, aber nicht für alle anderen. ›In einem Land wie diesem hier kann ich kein Risiko eingehen‹, dachte ich. ›Bei einem blauen Auge, einem Fausthieb kann ich kein Risiko mehr eingehen und es ihr selbst und ihrem möglicherweise geschwächten Willen überlassen und mich nicht einmischen, mir genügt das, um klar zu sehen, daß sie sich in Gefahr gebracht hat und damit auch die Kinder, sei es auch nur in der Hinsicht, daß sie ihre Mutter verlieren könnten, und sie haben schon einen halben Verlust erlitten, als ich von zu Hause wegging.‹
    Ich entfernte mich also ein paar Schritte und beschloß, sie nicht weiter auszufragen, ich würde mich schon noch woanders erkundigen, ich hatte zwei Wochen, die mußten mir genügen, um Nachforschungen anzustellen oder sie zu überzeugen, und vielleicht würde sie an einem anderen Tag meines Aufenthalts einen weiteren Schlag abbekommen und dann nicht mehr schweigen und sich verschließen. (›Schweig, schweig und sag nichts, nicht einmal, um dich zu retten. Hüte deine Zunge, verbirg sie, schluck sie hinunter, auch wenn du daran erstickst, als sei sie dir abgefallen. Schweig, und rette dich so.‹ Aber vielleicht ist es nicht immer so, sosehr man uns auch in den schwersten Momenten dazu rät und dazu drängt.)
    »Ist gut, ich gehe ja schon«, sagte ich. »Ich halte dich nicht länger auf, schon richtig, es ist wirklich spät geworden, wir reden ein andermal, ich rufe dich morgen oder übermorgen an und dann treffen wir uns, wann es dir paßt. Das Schweinchen, das hat sich übrigens deine polnische Babysitterin angesehen. Aber ich muß zugeben, es spielt ganz hervorragend, auf einer Stufe mit den Größten.« Und schon an der Tür, zu der sie mich lächelnder und leuchtender begleitete, als

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