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Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Titel: Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marias
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Ciao‹, aber ohne stehenzubleiben. So gut kennen sie sich auch nicht, Federico und Luisa.«
    »Na gut, hatte das Pärchen es denn eilig?«
    »Keiner ist stehengeblieben, Jacobo, weder Federico noch die beiden. Fang jetzt nicht an, jeden Mann mit Pferdeschwanz schief oder komisch anzusehen. Und außerdem, wer immer das war, vielleicht ist die Sache ja schon wieder erledigt. Pärchen brauchst du sie auch nicht zu nennen, dazu gibt es gar keinen Anlaß, nicht den geringsten Hinweis, ich habe dir ja schon gesagt, wie die Begegnung abgelaufen ist, dir kann ja man wirklich nichts erzählen. So regt man sich doch nur grundlos auf.«
    Ich wollte ihr lieber nichts von dem Fausthieb sagen, dem unannehmbaren Schlag, dem blauen oder Friedhofsauge, es war besser, wenn ich die Sache alleine weiterverfolgte, ohne Cecilia zu erschrecken, wenn sie nicht mehr wußte, als sie mir erzählt hatte, würde sie mir auch keinen Hinweis dazu geben können, es machte mir nichts aus, wenn sie meine Unruhe auf blanke Eifersucht zurückführte, das genügte, um meine beharrliche Neugier zu erklären, und schließlich war erstere ja auch vorhanden, vielleicht im selben Maß wie meine Sorge, Luisa könnte von einem Macho, einem miesen Schwein mißhandelt werden, mit Pferdeschwanz oder ohne, was spielte das schon für eine Rolle: von jemandem, der versuchte, meinen Platz zu besetzen, aber schwerlich dort bleiben würde, er war nicht an der Reihe. Trotzdem gehörte er hinausgeworfen. Wenn er gewalttätig war, wenn er eine Gefahr darstellte, wenn er die Hand gegen sie erhob, gehörte er ohne Aufschub nach draußen befördert, man durfte ihm keine Chance lassen, sich weiter breitzumachen, denn unverhofft kommt oft, und es besteht immer das Risiko, daß etwas, das keine Zukunft hat, trotzdem nie endet. Und weil es ihr offenbar an Willensstärke, an Kraft, an Härte oder Mut fehlte, war ich der einzige, der es versuchen konnte, das sagte ich mir jedenfalls.
    Ich wartete also, bis mein Vater aufstand (oder man ihm aufzustehen half und ihn ins Wohnzimmer brachte, zu dem Sessel, in dem er seit jeher las, unter der Lampe mit dem angenehmen Licht) und meine Schwester gegangen war, und setzte dann meine Nachforschungen oder mein Tasten fort. Ich hatte keine große Hoffnung, daß er viel oder auch nur wenig wissen könnte, aber von allen, die mir zur Verfügung standen, war er derjenige, der mit Luisa wohl am meisten über persönliche Angelegenheiten sprach, wie Cecilia angedeutet hatte, wenn auch nur gelegentlich und unter den natürlichen Einschränkungen einer Beziehung zwischen Schwiegertochter und Schwiegervater oder besser zwischen zwei Menschen, die ein solcher Altersunterschied trennt. Vielleicht konnte er mir zu einer klareren Einschätzung verhelfen, wenn nicht im Hinblick auf den Bewerber um meinen Platz – davon erzählte sie ihm sicher nichts; und möglicherweise gab es mehrere –, so doch zumindest bei der Frage, die mich betraf: wie sie mich jetzt sah, nachdem ich das Feld geräumt, mich selbst gefügig aus ihrer Existenz – sogar aus ihrem praktischen Leben – verstoßen und mich widerspruchslos von ihrer Zeit und der unserer Kinder abgekoppelt hatte. Ich fragte meinen Vater nach ihr, und er antwortete mir abermals, sie komme nicht häufig zu ihm, wobei ich allmählich entdeckte oder feststellte, daß er die Dauer der Anwesenheit oder Abwesenheit bestimmter Personen inzwischen schlecht einschätzen konnte, er schien immer unter dem Eindruck zu stehen, daß die ihm liebsten oder angenehmsten ihn nur selten besuchten, obwohl einige von ihnen, wie ich wußte, fast täglich vorbeikamen – so meine Schwester und meine älteren Nichten, er hatte schon früher gerne Frauen um sich gehabt, und jetzt hatte sich das noch verstärkt, da seine Kräfte schwanden und er auf Sanftheit im Umgang angewiesen war. – Ich schloß, daß es ihm mit Luisa ähnlich ging, die nicht annähernd so häufig kam, doch angesichts der Vertrautheit, mit der er von ihr sprach, und der einen oder anderen einschlägigen Bemerkung, tat sie es wohl öfter, als er es glaubte oder empfand. Ich hakte nach (›Aber was sagt sie dir, wenn sie kommt, was erzählt sie, spricht sie mit dir über mich oder vermeidet sie es, mich zu erwähnen? Glaubst du, daß sie Zweifel hat, daß sie es vielleicht halb bereut, oder klingt ihre Rede von mir schon immer, als hätte sie einen Ort für mich gefunden, von dem ich mich nicht wegbewege und von dem sie mich nicht wegbewegen wird, einen

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