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Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Titel: Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marias
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der Straße), und sie lachte schallend über irgendeine Bemerkung von ihm. (›Er ist einer von denen, die die anderen zum Lachen bringen, so wie ich, wenn mir danach ist‹, dachte ich. ›Das könnte die Sache mit Luisa zum Teil erklären. Das ist Pech. Das ist schlecht.‹) Niemand würde denken, daß er Frauen schlug, oder eine Frau, diejenige, an der mir immer noch am meisten lag.
    Er verabschiedete sich und ging weiter, sein Gang war entschlossen, geradezu ungestüm, wenn er zwischenzeitlich den Schritt beschleunigte, bestimmt machten die Taschendiebe oder Straßenräuber, von denen es in dieser touristischen Gegend einige gibt und die mit Vorliebe Japaner ausnehmen, einen Bogen um ihn; die Bettler vielleicht auch, das war der Gang eines Mannes, mit dem nicht gut Kirschen essen ist, so sympathisch er auch wirken mochte; und es gehört zum Metier der Bittsteller und Diebe, so etwas auf Anhieb zu merken, zu erraten, wen sie vor sich haben. Er ließ den Mercado de San Miguel links liegen und ging weiter, die Straße war nun etwas abschüssig. An einer Gebäudewand sah ich eine steinerne Inschrift, nüchtern und ohne Pomp stand da: ›Hier lebte und starb Don Pedro Calderón de la Barca‹, der Theaterautor, von dem einst Nietzsche so begeistert war und eigentlich ganz Deutschland; und ein wenig weiter, auf der anderen Straßenseite, erklärte eine modernere Gedenktafel: ›An diesem Ort stand die San-Salvador-Kirche, in deren Turm Luis Vélez de Guevara seinen Roman Der hinkende Teufel spielen läßt – 1641 ‹, es war mir nie eingefallen, dieses Werk zu lesen, nicht einmal in Oxford, Wheeler, Cromer-Blake und Kavanagh kannten es bestimmt. Custardoy trat einen Moment zu der Statue, die genau gegenüber stand, auf der Plaza de la Villa, merkwürdig, daß ein Maler sich so zum Dreidimensionalen hingezogen fühlte. ›Don Álvaro de Bazán gewidmet‹, hieß es knapp am Sockel, dem Admiral also, der die spanische Flotte bei der Schlacht von Lepanto befehligt hatte, in der Cervantes im Jahr 1571 im Alter von vierundzwanzig Jahren verwundet worden war, so daß seine linke Hand unbrauchbar wurde, weshalb er sich später als den ›gesunden Einhändigen‹ bezeichnen konnte, als er in ebendem Text Lebwohl nahm, den ich für Wheeler zitiert hatte, der jedoch keine Notiz davon hatte nehmen wollen: Lebwohl den Scherzen und den Späßen und den heiteren Freunden. Des weiteren stand dort die Torre de los Luxanes, wo angeblich Franz I. von Frankreich gefangen gesessen hatte, nachdem er bei der Schlacht von Pavia im Jahr 1525 den Spaniern in die Hände gefallen war; doch da auch an zahlreichen anderen Orten in Spanien behauptet wird, er sei dort in Gefangenschaft gewesen, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder wird viel gelogen, oder Kaiser Karl V. hat es sich damals zur Aufgabe gemacht, den französischen König spazierenzuführen und ihn auszustellen wie einen Affen oder eine Trophäe, von einem Ort zum anderen.
    Custardoy war noch immer auf dem richtigen Weg, auf dem, der zu ihm nach Hause führen mußte, weiter die Calle Mayor hoch, und ich hinter ihm her wie sein etwas ferner oder abgespaltener Schatten. ›Ich bin schon seit einiger Zeit Schatten‹, dachte ich, ›ich war oder bin es an Tupras Seite, den ich auf seinen Reisen begleite und mit dem ich fast täglich Rat halte, stets bei ihm wie ein Untergebener, ein Dolmetscher, ein Halt, ein Lehrjunge, ein Verbündeter, bei ein paar Gelegenheiten wie ein Scherge (› No doubt, an easy tool, deferential, glad to be of use . Gewiß bequemes Werkzeug, respektvoll, gerne von Nutzen‹). Jetzt bin ich der Schatten dieses Mannes, von dem ich noch nicht weiß, ob er der ist, den ich suche, aber, soweit es ihn angeht, bin ich nichts von alledem; für ihn bin ich ein unheilvoller, strafender, bedrohlicher Schatten, von dessen Existenz er noch nicht weiß, so wie es diejenigen meistens sind, die hinter einem gehen und die man nicht sieht; es wäre besser für ihn, wenn er seinen Weg nicht fortsetzte oder wenn der seine am Ende doch nicht der wäre, den ich erwarte und wünsche.‹ Ich hatte das gerade zu Ende gedacht, da glaubte ich, er würde doch davonkommen, denn als er auf Höhe der Capitanía General oder des Consejo de Estado anlangte (diesmal Soldaten mit Maschinenpistolen, an der ersten Tür), überquerte er erneut die Straße, als wollte er das Italienische Kulturinstitut betreten, das sich direkt gegenüber befindet. Doch das tat er nicht, sondern er bog in eine enge

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