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Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Titel: Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marias
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besten traje de luces willst.‹ Ich verfolgte die Entwicklungen in Sachen Stierkampf nicht sehr genau und weniger noch von London aus, entnahm seiner Aussage jedoch, daß er zur Zeit aktiv war. Besser, ich informierte mich ein wenig, bevor ich ihn besuchte, um ihn nicht durch meine Unwissenheit zu beleidigen.
    ›Also, das ist gar nicht so weit davon entfernt‹, sagte ich. ›Morgen erkläre ich es dir.‹
    ›Ja, komm einfach, sieh dich um und nimm mit, was du brauchst, mein Bester.‹ Er war tatsächlich ein großzügiger Mann, das hatte er nicht bloß dahergesagt, so viel war sicher. Er hieß Miguel Yanes Troyano, sein Beiname lautete ›Miquelín‹, und er war der Sohn eines banderillero .
    Am nächsten Morgen, per Internet über seine jüngsten Triumphe im Bilde und mit einem Geschenk in der Hand, fuhr ich zu seiner äußerst geräumigen Wohnung, in die Gegend, die in meiner Kindheit als ›Costa Fleming‹ bekannt war, näher an Chamartín, dem Stadion schlechthin gelegen (dem von Real Madrid) als an der Stierkampfarena Las Ventas, durch deren großes Tor er so manches Mal auf den Schultern der Fans getragen worden war. Mir wäre es lieber gewesen, mit ihm allein zu sprechen, aber das ging nicht, er war immer in Gesellschaft. Da er bereits wußte, daß ich ihn um einen Gefallen und eine Leihgabe bitten wollte, war er jedoch so taktvoll gewesen, mir nicht unnötig viele Zeugen aufzunötigen. Nur sein apoderado , sein langjähriger Agent war da, er fehlte nie, ein Mann in seinem Alter, schweigsam, sehr diskret, ich kannte ihn zwar nicht gut, aber auch schon seit langem.
    »Ich weiß ja nicht, ob unser Gespräch Herrn Cazorla nicht langweilen wird, Maestro«, versuchte ich es, auf gut Glück.
    »Ach woher«, antwortete Miquelín und wedelte dabei mit zwei Fingern; er hatte mich mit einer großen Umarmung und einem Kuß auf die Wange empfangen, als wäre ich ein Neffe von ihm. »Eulogio langweilt sich nie, und wenn er sich langweilt, dann denkt er, stimmt’s, Eulogio? Vor ihm kannst du sagen, was du willst, Jacobito, er wird nichts weitererzählen und kein Urteil über dich fällen. Also, schieß los, womit kann ich dir behilflich sein.«
    Ich brauchte ein paar Sekunden, um damit herauszurücken, meine Bitte war mir ein wenig peinlich. Aber das ließ sich nur dadurch überwinden, daß ich sie formulierte und die Sache hinter mich brachte. Alles ist einem im vorhinein unangenehmer als hinterher, ja, sogar als währenddessen.
    »Ich wollte dich fragen, ob du mir vielleicht ein Schwert leihen könntest, einen von deinen Degen, für zwei Tage, schätze ich.«
    Ich sah, daß er das nicht erwartet hatte, und Cazorla zuckte zusammen und strich einen Ärmel seines Sakkos glatt. Er trug einen Anzug mit Weste in einem übermäßig hellen Grau, aus der Brusttasche lugte ein spitz gefaltetes Einstecktuch, und im Knopfloch hatte er ein Blümchen, er war ein Mann der alten Schule. Aber er würde kein Wort sagen, wenn Miquelín ihn nicht dazu aufforderte. Der hatte sich rasch von seiner Überraschung erholt und antwortete:
    »Für einen Tag, für zwei oder für drei, so lange du willst, Jacobo. Wir schauen gleich im Kämmerchen nach, da kannst du dir den aussuchen, der dir am besten gefällt, na ja, sehr unterscheiden sie sich nicht. Aber sag mal, und entschuldige bitte: Wenn du mich um Geld gebeten hättest, würde mir nicht im Traum einfallen zu fragen, wozu du es brauchst. Aber ein Schwert, das ist schon etwas ungewöhnlich. Was willst du denn damit, dich verkleiden?«
    Ich hätte ihn anlügen können, obwohl eine Verkleidung mit Schwert allein überhaupt keinen Sinn ergab. Ich hätte mir etwas anderes Absurdes ausdenken können, etwa, daß ich zu einer privaten becerrada eingeladen sei, aber es schien mir nicht richtig, einen so herzensguten Mann zu täuschen, ich glaube auch nicht, daß es mir gelungen wäre. Dann dachte ich, daß er Verständnis für mein Anliegen haben und ebenfalls nicht über mich urteilen würde.
    »Nein, Miquelín. Ich will damit jemandem einen Schrecken einjagen. Es hat mit meiner Frau zu tun. Also, mit meiner Ex-Frau, wir sind schon länger getrennt, aber noch nicht geschieden.« Mir fiel auf, daß ich immer Wert darauf legte, das klarzustellen, als ob das noch eine Rolle spielte. »Deshalb bin ich auch nach London gezogen, um nicht weiter hier herumzuspuken, während sie sich von mir entfernt. Nach dem, was ich jetzt vorgefunden habe, weiß ich allerdings nicht, ob das so eine gute Idee war. Wir

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