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Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Titel: Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marias
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niemand Neuen oder Fremden erwähnt.
    ›Look, Jack, just deal with him‹, sagte Tupra. ›Just make sure he’s out of the picture.‹ So lauteten auf englisch seine Worte, und ich bedauerte in diesem Moment außerordentlich, daß das nicht meine Sprache war, denn ich weiß nicht, wie es sich für einen Muttersprachler verhält, aber für mich waren diese Worte zu uneindeutig, es gelang mir nicht, sie so klar zu verstehen, wie mir lieb gewesen wäre; hätte er gesagt: ›Just get rid of him‹ oder ›Well, dispose of him‹, wäre das deutlicher gewesen, allerdings auch nicht ganz: ›Werd ihn los‹ hätte das bedeutet, und schließlich gibt es viele Methoden, jemanden loszuwerden, nicht nur, daß man ihn um die Ecke bringt; wenn der Satz gelautet hätte: ›Just make sure you get him off her back‹, oder auch: ›… off your backs‹, so hätte ich vielleicht gewußt, daß er mir sagen wollte: ›Geh sicher, daß du ihn ihr vom Hals schaffst‹, oder auch ›… daß ihr zwei ihn euch vom Hals schafft‹, doch auch dann hätte ich mich nicht imstande gesehen, diesen Ausdruck in eine konkrete, eindeutige Handlung zu übersetzen, denn es gibt wiederum viele Arten, sich jemanden vom Rücken zu schütteln, wie man auf englisch sagen würde. Wollte Gott, ich hätte gehört: ›Just scare him away, scare him to death‹, dann wäre mir klar gewesen, daß er mir nur empfahl, ihm eine Todesangst einzujagen und ihn zu verscheuchen, so wie Tupra es mit De la Garza getan hatte, nicht mehr als das, und allenfalls zu Sir Punishment und Sir Thrashing zu werden, niemals jedoch zu Sir Death oder Sir Cruelty . Doch was ihm über die Lippen kam, war eher: ›Kümmere dich um ihn. Sorge dafür, daß er von der Bildfläche verschwindet‹, oder wörtlich ›… daß er nicht mehr auf der Bildfläche ist‹, ich weiß nicht, das Wort › picture ‹ konnte gleichermaßen ›Zeichnung‹ oder ›Porträt‹ oder ›Panorama‹ oder ›Szene‹ heißen, oder sogar ›Foto‹ oder ›Film‹, doch in mir blieb die erste buchstäbliche Vorstellung, die von einem Bild oder Gemälde, man mußte Custardoy von der Bildfläche verschwinden lassen, ihn aus dem Bild entfernen oder abseits stellen, wie den Grafen von San Secondo im Prado, der abseits von seiner Familie stand, isoliert, ohne sich seiner Frau und seinen Söhnen je wieder nähern zu können, bis in alle Ewigkeit. Hätte der kurze Dialog in einer Folge von Die Sopranos stattgefunden oder in Der Pate, so hätte ich bestens verstanden, daß er mir nahelegte oder mich dazu aufforderte, ihn umzubringen. Aber vielleicht gibt es unter Angehörigen der Mafia längst einen allgemeinen Code, falls sie abgehört werden, und das erlaubt es ihnen, in ihren Anordnungen ganz lakonisch zu sein und dennoch sofort richtig interpretiert zu werden. Außerdem war das hier kein Dialog aus einem Film, wir waren keine Mafiosi und ich nahm auch keine Anordnungen entgegen, im Unterschied zu anderen Gesprächen mit Tupra oder Reresby oder Ure oder Dundas, sondern nur eine Wegweisung, den Rat, um den ich ihn ersucht hatte. Doch Sprache ist schwierig, wenn man nicht weiß, woran man sich halten soll, und auf exaktes Verständnis angewiesen ist, denn sie funktioniert fast immer metaphorisch oder im übertragenen Sinn. Es wird wohl nicht viele Leute auf der Welt geben, die offen sagen: ›Kill him‹, oder die Worte sprechen: ›Töte ihn‹.
    Ich riskierte es, ein wenig nachzuhaken, obwohl ich dachte, daß ihn das womöglich ungeduldig machen würde. Genau genommen, brachte ich in aller Hast eine Nachfrage unter, bevor er auflegen konnte, seine letzten beiden Sätze hatten mir nach einem Abschluß geklungen, fast nach Abschied, als hätte er dem nichts mehr hinzuzufügen. Oder als hätte ihn meine Erkundigung gelangweilt, meine kleine Geschichte.
    ›Kannst du mir auch sagen, wie, Bertie?‹, sagte ich. ›Ich bin nicht so daran gewöhnt wie du, lästige Typen zu verjagen.‹
    Ich hörte zunächst sein paternalistisches Lachen, trocken, leicht abschätzig, es war kein Lachen, das wir hätten teilen können, es war nicht dasjenige, das Männer uneigennützig miteinander verbindet und auch Frauen unter sich und das zwischen Frauen und Männern ein noch stärkeres und strafferes Band stiften kann, eine tiefere, komplexere und ihrer Dauerhaftigkeit wegen gefährlichere Verbindung oder eine mehr nach Dauer strebende, vielleicht bestand zwischen Luisa und Custardoy diese Art von Verbindung, die spontane und

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