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Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Titel: Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marias
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haben zwei Kinder, einen Jungen und ein Mädchen, und ich möchte nicht, daß sie in Gefahr geraten. Der Bursche ist für keinen von den dreien gut, und am wenigsten für Luisa.«
    Miquelín verstand, das, was ich ihm erklärt hatte, genügte, ich sah es an seiner Art, mir zuzuhören, als würde er zustimmend nicken. Er stellte nichts davon in Frage, ein Freund war ein Freund, wie er sich um seine Angelegenheiten kümmerte, lag bei ihm. Schließlich brach er in wohlwollendes, auch halbwegs amüsiertes Gelächter aus, er war ein Mann, der häufig lachte, die Jahre hatten nichts daran geändert.
    »Aber was willst du denn mit einem Schwert?« sagte er. »Hast du gehört, was er vorhat, Eulogio? Was meinst du, Jacobo, wirst du Gebrauch davon machen oder nicht? Rammst du es ihm bis zum Heft hinein oder piekst du ihn nur mit der Spitze? Oder willst du es ihm vielleicht nur unter die Nase halten, huch, so ein Schreck?«
    »Ich hoffe, keinen Gebrauch davon zu machen«, erwiderte ich. Tatsächlich wußte ich das nicht, ich hatte nur an die Wirkung gedacht, die der Anblick einer solchen Waffe auslöste, wie Tupra mir erklärt hatte.
    »Also Jacobo, du mußt da schon zwei Sachen berücksichtigen. Erstens, der Degen verletzt nur mit der Spitze, wenn man zusticht, und wenn man wirklich will, daß die Klinge tief eindringt, muß man richtig ausholen; er hat fast keine Schneide, aufschlitzen kannst du damit niemanden. Zweitens, so ein Schwert durchbohrt einen Stier, der sechshundert Kilogramm wiegt, und wenn du nicht auf Knochen stößt, dringst du bis zum Heft ins Fleisch. Jetzt stell dir mal vor, wie das bei einem Menschen ist, da braucht dir nur ein wenig die Hand auszurutschen, und er steht nicht wieder auf. Willst du wirklich riskieren, jemanden umzubringen? Nein, mein Freund, zum Erschrecken nimmt man eine Pistole. Eine saubere Waffe, für alle Fälle.«
    Ich war nicht darauf gekommen, den Zusammenhang herzustellen: Erst als ich Miquelín davon reden hörte, was ein Degen bei einem Menschen bewirken konnte, wurde es mir richtig klar, und mich überkam vor Abscheu ein Frösteln, nicht jedoch – merkwürdigerweise, erstaunlicherweise – aus Abscheu vor mir selber, offenbar empfand ich mich noch als fremd zu dem, was ich plante, oder sah diesen Plan noch als inhaltsleer, oder vielleicht empfindet man nie völlig ehrlichen Abscheu gegen sich selbst, und eben das ermöglicht uns, alles zu tun, sobald wir uns an die Gedanken gewöhnen, die in uns aufkommen oder die man uns eingibt, nach und nach, oder sobald wir annehmen, daß wir etwas tatsächlich tun werden. ›Ich würde mich kaum von jenem Mann aus Málaga unterscheiden, dem verqueren Kerl, diesem stinkigen Typen, sehr gehässig, einer, vor dem man sich in acht nehmen mußte‹, dachte ich, ›von dem Mann, der vor gut siebzig Jahren außerhalb von Ronda Emilio Marés als Stier behandelte, mit Hilfe und unter dem Beifall seiner Kumpane, der ihn mit dem Degen den Todesstoß gab und ihm Ohren und Schwanz abschnitt, sie mit einer Hand hochhielt und mit der anderen grüßte, indem er die rote Baskenmütze gleich einer Stierkämpferkappe lüftete, dort in den lieblichen Gefilden. Von dem, der in blinder Wut den ehemaligen Studienkollegen meines Vaters umbrachte, diesen auf charmante Weise eingebildeten und bewußt frivolen Mann, einen sehr angenehmen Menschen, ständig gut gelaunt, wie mein Vater mir erzählte, der so viel von ihm hielt, er hatte sich geweigert, sein Grab zu graben, bevor man ihn erschoß, das heißt, bevor seine Henker ihn nicht nur töteten, sondern auch noch als Stier behandelten. Ja, sie hatten buchstäblich eine Corrida mit ihm durchgeführt, mit Banderillas und Pike und Schwert. Ein Glück, daß Miquelín mich gewarnt hat mit seinen unfreiwilligen Worten.‹
    »Sauber?« fragte ich. Der Begriff sagte mir nichts.
    »Ja, eine Waffe, die nicht offiziell bekannt, die nicht registriert ist, vor allem darf sie bei keinem Verbrechen zum Einsatz gekommen sein. Wie gesagt, für alle Fälle.« Miquelín war sich der Macht des Zufalls sehr bewußt, wie alle Toreros, vermute ich.
    »Was für Fälle, Miquelín?«
    »Na was wohl, mein Bester. Hörst du das, Eulogio?« Und er lachte abermals auf, er mußte mich für einen rechten Gimpel halten, das war ich in solchen Dingen ja auch. »Nun, wenn du eine Pistole mitnimmst, kann es immer dazu kommen, daß du sie auch abfeuerst. Ja, du willst nur jemanden erschrecken, aber du kannst nicht wissen, wie er das aufnimmt. Im

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