Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied
beklagen. In seiner Panik war er ein harter Knochen, kein Vergleich zu diesem Trottel von De la Garza.
»Was willst du denn, Herrgottnochmal«, sagte er, »mir die Hand völlig unbrauchbar machen.«
Und da sagte ich ihm, was ich wollte:
»Deine rechte Hand habe ich nicht angerührt, aber ich kann sie dir so zurichten wie die linke oder noch schlimmer. Heute oder an einem anderen Tag, ich finde dich schon, wenn mir danach ist. Ich kann sie dir tatsächlich völlig unbrauchbar machen, so, daß du nie wieder einen Pinsel halten kannst.« Und in dem Moment konnte ich nicht umhin, einmal mehr an Reresby zu denken, wie er mir Anweisungen für De la Garza erteilt und ich sie meinem am Boden liegenden Landsmann nach und nach übersetzt hatte, Tupra hatte eine flüssige Reihe von Befehlen geäußert, als hätte er sich das alles längst genau überlegt, ich mußte denselben Eindruck von Entschlossenheit und Kennerschaft vermitteln, oder war es Vorwissen, ihm die Pläne hübsch vorgekaut servieren, ihm sagen, was geschehen und was er tun würde.
Custardoy hatte die Augen ein wenig geöffnet, um den Schaden abzuschätzen, und ich hatte ihm die Pistole nach dem zweiten und dritten Schlag gegen die Hand nicht wieder an die Schläfe gehalten. Sein Blick war trübe und gleichsam ziellos, benommen, doch es lag darin auch etwas Rachsüchtiges. Aber der Wunsch nach Rache, der kraftlos in seinen Augen glühte, schien mir rein hypothetisch, als sei ihm klar, daß er darauf würde verzichten müssen, und wenn er sich noch so sehr danach sehnte, oder als könnte er Rache allenfalls als ferne Hoffnung oder aufgeschobene Entschädigung oder hinausgezögerte Gerechtigkeit sehen, wohl nicht sehr anders als die Menschen festen Glaubens sich viele Jahrhunderte lang das Gericht ausmalten und sich an ihm festhielten, als etwas also, das ihnen im langen Tod gegeben würde und nach dem sie zu Lebzeiten niemals würden greifen können. Ich hatte die Llama von seiner Stirn genommen, als ich ihm die Schläge versetzte, jetzt dachte ich, daß ich nicht einmal mehr damit winken mußte, die Drohung, ihm die rechte Hand zu zerschmettern, hatte ihm den Rest gegeben, hatte ihn überwältigt, vor allem, weil er nicht wußte, ob es an Ort und Stelle und unverzüglich geschehen würde, und weil er den Anblick der linken vor sich hatte und sie spürte, sein Schmerz mußte enorm sein. Der Pferdeschwanz sah in diesem Zustand noch lächerlicher aus, die Krawatte auch, der Schnurrbart schütterer, sein Streben nach Eleganz, in jenen Momenten war er ein wutentbrannter, aber verschüchterter, fast flehentlicher Mann, in seinem Zorn auf unbestimmte Zeit gebremst. Dennoch steckte ich die Waffe nicht weg. Und er flehte mich tatsächlich an, wenn auch verdeckt. Seine Sätze klangen mehr nach einem Vorwurf als nach einer Bitte, aber ihr Inhalt war eindeutig:
»Scheiße, tu mir das nicht an. Mit der rechten Hand verdiene ich mir meinen Lebensunterhalt. Sei nicht so mies, verdammt, was willst du denn noch?« Kraftausdrücke können einiges überdecken, gewiß, deshalb sind sie in Spanien ja so verbreitet, dem kindischsten und großmäuligsten Land, das ich kenne: Man gibt sich dort gern als Draufgänger. Aber Custardoy hatte bereits eine Bitte geäußert (›Tu mir das nicht an‹), und in diesem Fall würde ich mich dadurch weder verbunden noch verwickelt oder verstrickt sehen; im Gegenteil, ich würde das Messer oder die Schneide ziehen, um das unangenehme Band zu durchtrennen, das uns die Luft abschnürte: Luisa und mir, auch wenn sie es aus eigenem Antrieb und auf eigenes Risiko geknüpft hatte. Ich brauchte mich nur darauf zu beschränken, diesem Typen zu sagen: ›Das und das will ich dafür.‹
»Ich werde jetzt in aller Ruhe gehen, und wenn ich aus der Tür bin, hältst du dreißig Minuten lang still, ohne dich zu von der Stelle zu rühren oder jemanden anzurufen, auch wenn’s dir weh tut: Da mußt du durch. Danach ruf dir einen Arzt, fahr ins Krankenhaus, mach, was du willst. Es wird eine Weile dauern, bis die Hand verheilt ist, wenn sie überhaupt ganz verheilt. Denk immer dran, daß es noch schlimmer hätte kommen können, und es wird immer noch Zeit dazu sein, der anderen Hand eins zu verpassen oder sie dir mit einem Schwert abzutrennen, ich habe da einen überaus geschickten Freund, der es mit Schwertern hat, drüben in London. Für die Zeit, in der deine Hand verheilt, verschwindest du aus der Stadt, ich weiß, daß du genug Geld hast, um dich eine
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