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Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Titel: Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marias
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Weile in einem Hotel einzuquartieren, an einem Ort, der dir gefällt, in einer Stadt mit Museen, zum Ausspannen. Und wenn nicht, suchst du dir eben eine andere Lösung. Ich will nicht, daß Luisa dich in diesem Zustand sieht, sie darf das, was dir passiert ist, auch nicht annähernd mit meinem Aufenthalt in Madrid verbinden. Du rufst sie an und sagst ihr, du hättest unerwartet verreisen müssen. Ein wichtiger und dringender Auftrag, die Kopie oder Restaurierung eines oder mehrerer Bilder in Berlin, in Bordeaux, in Wien oder in Sankt Petersburg, das ist mir egal. Oder besser noch weiter weg: In Boston, in Baltimore, in Malibu, mit einem Ozean dazwischen, dort gibt es berühmte Museen mit einem Wahnsinnsetat, die dich beauftragen könnten, denk dir etwas aus. Du rufst sie vom Handy aus an oder von irgendeinem Telefon mit unterdrückter Nummer, damit sie nicht sehen kann, wo du wirklich bist. Von mir aus kannst du dich auch in Pamplona auskurieren, wenn dir das lieber ist, mir ist es gleich, wo du hinfährst. Aber ihr erzählst du, daß du ganz weit weg bist und sehr beschäftigt und daß du sie schon anrufen wirst, wenn du dazu kommst, nicht daß sie auf die Idee kommt, für ein paar Tage die Kinder bei irgendwem zu lassen und dich besuchen zu fahren, wenn sie dich in der Nähe glaubt.«
    »Sie wird mich nicht gehen lassen, ohne sich von mir zu verabschieden, erst recht nicht, wenn ich für längere Zeit verreise«, unterbrach mich Custardoy. Aber das machte mir nichts aus, denn es bedeutete, daß er sich auf den Plan einließ und sich schon daran hielt, und ich würde ihm nicht noch die andere Hand zertrümmern oder mich fragen müssen, ob ich das tatsächlich tun sollte, denn wenn ich es tat, was dann: Mir bliebe nichts anderes mehr, um ihn zu überzeugen, und ich müßte ihm eine Kugel verpassen, und das schien mir inzwischen unmöglich. Ich hatte sämtliche Hitze verloren, über die ich verfügt haben mochte. Kurzzeitig hatte ich Tupras Kaltblütigkeit angenommen, aber so viel auch wieder nicht. Vielleicht hatte nicht einmal Tupra so viel davon: Am Ende hatte er den Kopf ja doch nicht abgetrennt.
    »Hast du mich nicht gehört? Sie wird sich nicht von dir verabschieden können, und wenn sie sich auf den Kopf stellt, du bist nämlich schon weg, wenn du sie anrufst, du rufst sie von auswärts an, ist das klar?«
    »Das wird sie aber komisch finden.«
    »Sorg dafür, daß sie es nicht komisch findet. Es gibt Notlagen, unvorhergesehene Zwischenfälle. Und ihr seht euch ja auch nicht täglich, oder? Ihr redet auch nicht täglich.« Ich wartete nicht ab, daß er mir antwortete, mir war es lieber, wenn er das nicht tat. »Während deiner Abwesenheit rufst du sie selten an, und zwar immer seltener, in immer größeren Abständen, bis du nach vierzehn Tagen ganz damit aufhörst. Von heute ab in vierzehn Tagen gibst du kein Lebenszeichen mehr, gar keines, und wenn sie dich ihrerseits erreicht, verhältst du dich ausweichend und mißlaunig. Und wenn du wiederhergestellt bist und zurückkommst (wenn deine Hand sich überhaupt von dem Scheißzustand erholt, in den ich sie gebracht habe), dann rufst du sie auch nicht an. Früher oder später wird sie von irgendwem erfahren, daß du wieder da bist, und wenn sie sich dann immer noch für dich interessiert, wird sie es sein, die dich sucht oder anruft, um eine Erklärung zu verlangen. Und dann gibst du ihr eine. Du gibst sie ihr grob und in überheblichem Ton, ich glaube nicht, daß dir das schwerfallen wird, das hast du sicher schon hundertmal gemacht. Sie ist für dich längst Vergangenheit, du kannst dich kaum noch an sie erinnern. An den Stränden von Malibu hast du die neue Bo Derek kennengelernt, eine Baywatch -Schönheit, die Tochter von Getty, was du willst. Oder eine reiche Erbin aus Boston, die du demnächst heiraten wirst, etwas in die Richtung. Du machst ihr klar, daß es vorbei ist, daß sie sich verziehen soll, du willst sie nicht einmal mehr sehen. Und du siehst sie nicht mehr. Das gilt von heute an, ist das klar?, du hast dich schon verabschiedet. Und wenn du ihr auch nur ein einziges Wort von dem erzählst, was hier passiert ist, von diesem Besuch, wenn du es dazu bringst, daß sie Verdacht schöpft oder es sich auch nur entfernt vorstellt, jetzt oder später, und wenn es in zehn Jahren ist, dann verlierst du die rechte Hand, du weißt Bescheid.« ›But please not one word of all this shall you mention, when others should ask for my story to hear.‹ Mir kamen die

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