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Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Titel: Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marias
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genau, bis zu dem Punkt, daß dieser Hintergrund ihn den Briten bei Ausbruch des Krieges verdächtig erscheinen ließ, und so gestattete man ihm erst, einen verantwortungsvollen Posten zu bekleiden, nachdem die Geheimdienste ihn unter die Lupe genommen und ihr Placet dazu gegeben hatten, stell dir das mal vor. Von seinen Mitarbeitern forderte er absolute Geheimhaltung, Disziplin und Entschlossenheit, mit anderen Worten, absolute Skrupellosigkeit. Nach und nach nahm er immer mehr Deutsche in sein Team auf: ehemalige Angehörige der Internationalen Brigaden, Emigranten, Flüchtlinge, später einige kooperationswillige Kriegsgefangene, einen ranghohen Deserteur, der nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler im Juli 1944 nach London geflohen war, und sogar ein Ex-Mitglied der SS . Ihnen allen sagte er, sobald sie nach Woburn kamen, wo die Abteilung ihren Sitz hatte: ›Wir führen gegen Hitler eine Art totalen Krieg des Geistes. Jedes Mittel gilt, sofern es dazu dient, das Kriegsende und die restlose Niederlage des Reichs zu beschleunigen. Wenn Sie auch nur den geringsten Skrupel gegenüber den Handlungen verspüren, die gegen Ihre Landsleute zu verüben man Sie auffordern könnte, dann sagen Sie es besser gleich. Ich hätte dafür Verständnis. In dem Fall sind Sie allerdings für unsere Zwecke ungeeignet, und man wird zweifellos eine andere Aufgabe für Sie finden. Wenn Sie sich mir jedoch anschließen wollen, so muß ich Sie warnen: Wir sind in dieser Einheit zu jedem schmutzigen Trick bereit, den wir uns nur ausdenken können. Es gibt nichts, was von vorneherein ausgeschlossen wäre. Je schmutziger, desto besser. Lügen, belauschen, unterschlagen, verraten, fälschen, diffamieren, Zwietracht säen, falsche Zeugenaussagen und Anklagen erheben, Gesagtes verfälscht wiedergeben, egal was. Bis hin zum blanken Mord, vergessen Sie das nicht.‹ › Sheer murder ‹, war der Ausdruck, den er verwendete. »Valerie hat das mehr als einmal von ihm gehört. Im Laufe der Zeit wurde sie eine enge Mitarbeiterin von ihm.«
    Wheeler versank in Nachdenken, womöglich erinnerte er sich an Valeries enge Zusammenarbeit mit Sefton Delmer. Jetzt führte er die Hand an die Lippen und rieb sanft daran. Dann strich er abermals mit dem Daumen über die Narbe am Kinn, es war seltsam, daß ich diese Geste bis zu diesem Tag nie bei ihm gesehen hatte. Ich fragte mich, ob er mich wohl auch einladen wollte, mich nach dieser Narbe zu erkundigen. Doch solange er sie nicht selbst erwähnte, würde ich davon absehen.
    »Und was waren diese schmutzigen Tricks? Worin bestand das schwarze Spiel genau?« fragte ich ihn.
    »Nun ja, von den meisten dieser Aktivitäten haben wir erst lange nach Kriegsende erfahren. Auf jeden Fall wurden dort alle möglichen Fälschungen hergestellt. Dieser Dienst war außerordentlich, einer der Bereiche, in denen wir herausragende Arbeit geleistet haben: Radiosendungen, Dokumente jeder Art einschließlich schriftlicher Befehle hoher Amtsträger des Reichs wie General von Falkenhorst, der den Oberbefehl über die Truppen in Norwegen innehatte; Urlaubsscheine für Soldaten, Ausweise, die Zugang zu lebenswichtigen Einrichtungen und Orten verschafften, Schmähschriften, Briefmarken, Stempel, Kuverts und Briefpapier, bis hin zu Zigarettenschachteln, ich erinnere mich daran, welche gesehen zu haben, die Efka-›Pyramiden‹ hießen, immer ging es darum, daß alles als echt deutsch durchging oder zumindest, wenn das nicht möglich war, als in Deutschland oder in Österreich hergestellt, das erzeugte beim Gegner das beklemmende Gefühl, wir hätten mehr Agenten hinter seinen Reihen, als es tatsächlich der Fall war, zahlreiche Unterstützer, die sich auf seinem Territorium versteckt hielten und eine Infrastruktur hatten und Mittel und große Schlagkraft, was ihn nicht nur beunruhigte, sondern auch dazu veranlaßte, seine Anstrengungen auf die Verfolgung von und Jagd nach Gespenstern zu richten. Über Radio erreichten wir noch den letzten Winkel, sogar die U-Boote, deren Besatzungen den demoralisierenden Eindruck bekamen, von uns überwacht zu werden und ihre Positionen nicht verbergen zu können. Aber das Hauptziel bestand darin, die Deutschen gegeneinander aufzuhetzen und ihnen Schaden zuzufügen, auf kollektiver wie auf individueller Ebene, Mißtrauen zwischen ihnen zu säen und es dazu zu bringen, daß die einen die anderen fürchteten. Und natürlich, wenn es sich machen ließ, hochrangige Zivilbeamte oder Militärs

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