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Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Titel: Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marias
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Amerikaner, die sich einen Teil ihrer subversiven Taktiken von uns abgeschaut haben und sie seither mit Begeisterung praktizieren (allerdings auch mit einer gewissen Schusseligkeit), hätten nie gelernt, sie so zu betreiben wie wir, als ein Spiel inmitten der schweren Zeit. Und auch nicht, was schlimmer ist, in Friedenszeiten darauf zu verzichten. Vor zwanzig oder fünfundzwanzig Jahren kam ein Buch heraus, dessen Titel so lautete, The Black Game . Ich habe es gelesen, der Autor war ein gewisser Howe.«
    »Wissen Sie, ob es auch ›das feuchte Spiel‹ hieß?« ›The wet game‹, sagte ich, jetzt war ich so gut wie sicher, daß der Ausdruck ›wet gamblers‹ lautete, der von Pérez Nuix’ Lippen gekommen war, am Abend ihres unangemeldeten Besuchs.
    »Das habe ich weniger oft gehört, aber es kann schon sein. Vielleicht, weil schwarze Operationen häufig Blutvergießen mit sich brachten. Weiße dagegen kaum; sie waren trocken. Aber wo waren wir stehengeblieben?« sagte er leicht irritiert. »Warum erzähle ich dir das alles? Mein Gott, ich habe es schon wieder vergessen.« Auf englisch sagte er: ›Oh dear me‹, wofür es im Spanischen keine genaue Entsprechung gibt, in Wirklichkeit kam Gott darin nicht vor. Vielleicht reichte sein Gedächtnis nicht mehr so weit, vom Anfang einer Geschichte bis zu ihrem Ende. Vielleicht machte sich sein Verfall der jüngsten Zeit nur darin bemerkbar. Er verlor den ursprünglichen Faden aus dem Blick, wobei ein kleiner Anstoß genügte, damit er ihn wiederfand.
    »Sie sprachen von Ihrer Frau«, gab ich ihm diesen Anstoß, half ich ihm drauf. »Von dem, was sie im Krieg getan hat.«
    »Ach ja, ich wollte dir von Valeries Tod erzählen, wenn du es schon wissen willst, es ist nicht das erste Mal, daß du mich danach fragst«, antwortete er. »Aber es ist wichtig, daß du weißt, was das PWE war und wie es funktionierte. In was sie da hineingeraten war und woran sie sich gewöhnt hat. In gewisser Weise hatte Sefton Delmer einiges von einem Bomber-Harris, auch wenn ihm nicht Flugzeuge und Soldaten unterstanden, sondern nur Experten für Täuschung und Fälschung.« Und als er sah, daß mir Harris’ Name nur vage bekannt vorkam, fügte er hinzu: »Luftmarschall Arthur Harris war derjenige, der in der Endphase des Kriegs den Befehl gab, fünfzigtausend Hamburger und einhundertfünfzigtausend Dresdener den Flammentod sterben zu lassen, unter dem zynischen Vorwand, militärische Ziele anzugreifen, und er hat auch Köln und Frankfurt, Düsseldorf und Mannheim dem Erdboden gleichgemacht, er war ein unerbittlicher Mann mit zu viel Macht, fast schon ein Psychopath, dem jedes Mittel recht war, um den Feind in den Staub zu treten und zu besiegen.« Da fiel mir ein, daß er ihn schon ein anderes Mal erwähnt hatte: ›Ich habe vor einigen Monaten in einem Buch von Knightley gelesen«, hatte er mir erzählt, »daß der Chef der Bombardierungen, Sir Arthur Harris, die Männer der SOE als Dilettanten, Ignoranten, als verantwortungslos und verlogen bezeichnete«, diejenigen also, die für die Ermordung Heydrichs durch mit Botulin imprägnierte Kugeln verantwortlich waren und für so viele andere Operationen der Sabotage, der Zerstörung und des Terrors. »Crossman zufolge bekamen diese beiden Männer, Harris und Delmer, womöglich als einzige freie Hand, auf ihrem jeweiligen Feld den totalen Krieg zu führen: den totalen Krieg, mit dem Göring und Goebbels gedroht hatten, den sie jedoch tatsächlich nie in die Tat umsetzen konnten. Vor allem Delmer ließ man noch weiter gehen als die Nazis (das heißt, noch tiefer sinken), im Lügen, im Verleumden, in der Manipulation und Erfindung von Nachrichten und im Täuschen der feindlichen Bevölkerung. Die schwarze Propaganda war wie die strategischen Bombenangriffe in ihren Zielen nihilistisch und in ihren Resultaten rein destruktiv, auch Crossman gibt das zu. Sie erwies sich freilich als ausgesprochen wirksame Waffe, und so verwenden sie sie jetzt alle, mittlerweile ohne die geringsten Bedenken. Sefton Delmer war ein Genie, das stellt niemand in Abrede. Er war in Berlin geboren, als Sohn eines Australiers« – ›Noch so ein künstlicher Engländer‹, dachte ich, ›da gibt es wirklich viele‹ –, »er hatte dort studiert und später hier in Oxford; vor dem Krieg hatte er als Korrespondent des Daily Express in Berlin Ernst Röhm kennengelernt und über ihn auch Hitler, Göring, Goebbels, Himmler. Er verstand die Mentalität und die Psyche der Deutschen

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