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Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Titel: Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marias
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weiße wie die schwarze, unter die Zuständigkeit des PWE fiel und dieses sämtliche Kräfte zusammenzog, die über überdurchschnittliche Deutschkenntnisse verfügten. Das Political Warfare Executive«, erklärte er mir endlich, und ich übersetzte es sogleich annäherungsweise für mich: ›Das Amt für Politischen Krieg‹, dachte ich; ›oder das Amt für Kriegspolitik; oder vielleicht wäre treffender ›für Politische Kriegsführung‹. »Mir schien das gut für sie. Sicher genug. Ich wollte nicht, daß sie Risiken einging, ich meine übermäßige, daß sie sich allzusehr exponierte, denn riskant war es ja offensichtlich für jeden, an der Front wie im Hinterland, das weißt du. Das PWE war eine geheime und vorübergehend gebildete Behörde, die nur für die Dauer des Kriegs Bestand hatte, ihr Abbau begann, sobald die Deutschen die bedingungslose Kapitulation unterzeichnet hatten, am 7 . Mai 1945 . Bis sehr viel später waren nicht einmal der Name oder auch nur die Abkürzung öffentlich bekannt. Viele Mitarbeiter wußten de facto gar nicht, daß sie für das PWE tätig waren, sie glaubten, daß sie ihren Dienst in dem zum Foreign Office gehörigen PID verrichteten, dem Political Intelligence Department, einer kleinen Abteilung des Ministeriums, die im Prinzip keiner Geheimhaltung unterlag. Diejenigen, die weiße Propaganda erstellten (zum Beispiel die Sendungen der BBC für Deutschland und das besetzte Europa oder die Flugblätter, die die RAF bei ihren Luftangriffen abwarf, samt Siegel der Königlichen Regierung im Impressum) hatten meist nicht die leiseste Ahnung, daß es auch eine schwarze Propaganda gab und sogar eine graue und daß diese von ihren Kollegen umgesetzt wurden, in eigenen Abteilungen und unter strengster Geheimhaltung. Ein beträchtlicher Vorzug der schwarzen Propaganda lag darin, daß ihr britischer Ursprung nie eingestanden wurde, und selbstverständlich wurde unser Wirken dementiert, sooft sich das als nötig erwies. Natürlich verschaffte einem diese Ausgangslage völlig freie Hand, es gab kaum Grenzen. Du mußt bedenken, daß wir bestimmte Dinge offiziell nicht tun konnten, sie hintenrum aber durchaus taten. Wir haben das nie öffentlich gemacht, unter anderem, weil sehr wenige wußten, daß diese Dinge in Wirklichkeit doch getan wurden. Als Richard Crossman in den siebziger Jahren über das PWE auspackte, in einem Zeitungsartikel zum Watergate-Skandal, der damals ziemliche Wellen schlug (ich weiß noch, daß Lord Ritchie-Calder und andere sich in die Debatte einschalteten), gab er zu, daß es bei uns während des Kriegs eine – wie er es nannte – ›innere Regierung‹ gegeben habe, mit Regeln und Verhaltenscodes, die sich völlig von denen der öffentlich sichtbaren Regierung unterschieden. Dazu sagte er, ein solcher Apparat sei im totalen Krieg unerläßlich. Crossman war im PWE ein wichtiger Mann gewesen, wenn auch nicht so sehr wie Sefton Delmer, der ein Genie war und ein neues Konzept rein destruktiver psychologischer Kriegsführung entworfen hatte. Crossman hatte es in den Siebzigern unter Harold Wilson zu einem Ministerposten gebracht, seine Stimme galt daher etwas, und man konnte diese Äußerungen nicht einfach abtun …«
    Wheeler hielt inne. Ich dachte, er sei erneut müde geworden oder hätte vom vielen Sprechen einen trockenen Mund bekommen. Es war unglaublich, wie flüssig seine Rede noch war, wenn er nicht hängenblieb, selbst wenn er mit jener geschwätzigen Geistesabwesenheit sprach, in die er nun möglicherweise wieder verfallen war. Ich fragte mich, wann wir wohl auf die junge Valerie zurückkommen würden, für immer jung und jeden Tag jünger als er. Ich fragte ihn, ob er etwas trinken wolle, Wasser, sagte er und forderte mich auf, mir selbst zu nehmen, was ich wünschte, ich solle alles bei Frau Berry bestellen, er entschuldigte sich, mir noch nichts angeboten zu haben. Ich erwiderte, ich würde gleich selbst in die Küche gehen, ich wollte Frau Berry keine Umstände bereiten. Ich brachte ihm sein Wasser, machte mir ein kühles Bier auf und nutzte dann die Gelegenheit, eine eher nebensächliche Neugier zu befriedigen:
    »Wurde die schwarze Propaganda auch ›das schwarze Spiel‹ genannt? Ist das dasselbe? Vorher haben Sie diesen Ausdruck verwendet.«
    »Ja«, gab er zurück. »Also, nicht nur die Propaganda. Sämtliche schwarzen Operationen. Ich weiß nicht, ob sich das ebenfalls Crossman oder Delmer ausgedacht haben, diese Bezeichnung. Sie fanden, die

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