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Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Titel: Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marias
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oder alt oder gestört, dann tut er die Dinge zu gleichen Teilen aus eigenem Willen und aus fremdem Willen. Aber man weiß nicht immer, wem der Teil des Willens gehört, der nicht mehr unserer ist. Der Krankheit, den Ärzten, den Medikamenten, der Verstörung, den Jahren, den vergangenen Zeiten? Dem, der wir nicht mehr sind …, der ihn mit sich genommen hat?‹ ›Unserem Gesicht gestern‹, hätte er hinzufügen können; ›das werden wir immer haben, solange sich jemand unserer erinnert oder irgendein Neugieriger vor unseren Fotografien innehält, dagegen wird ein Morgen kommen, in dem jedes Gesicht Totenkopf oder Asche sein wird, und dann werden sie gleichgültig und wir werden uns alle ähnlich sein, wir und unsere Feinde, die geliebtesten und die verhaßtesten.‹ Ja, ich mußte Wheeler nach diesen Widmungen des glücklichen und glücklosen Ian Fleming fragen, der großen Erfolg, aber nur wenige Jahre gehabt hatte, um ihn zu genießen, warum sie sich gekannt hatten und wie weit; ›… who may know better . Salud!‹, 1957 hatte Fleming ihm das in sein Exemplar geschrieben. Seitdem ich begonnen hatte, mit Tupra zu arbeiten, hatte ich weniger Zeit, ihn in Oxford zu besuchen, oder vielleicht hatte ich zuvor mehr als genug Zeit und war in gedrückter Stimmung und füllte mit meinen Besuchen die erstere aus und hob die letztere an. Wir ließen jedoch keine zwei Wochen vergehen, ohne eine Weile zu telefonieren. Er fragte mich, wie es mir mit meinem neuen Chef und meinen Kollegen gehe und in meinem neuen und etwas vagen Beruf, jedoch ohne mich nach Einzelheiten auszuforschen oder sich nach den gegenwärtigen Angelegenheiten der Gruppe zu erkundigen, das heißt nach den Übersetzungen von Personen und Deutungen von Lebensläufen. Vielleicht wußte er besser als sonst jemand, wie wichtig meine Zurückhaltung war, oder vielleicht brauchte er nicht nachzufragen, hielt direkte Verbindung zu Tupra und war über meine wesentlichen Tätigkeiten bestens informiert, über meine Fort- oder Rückschritte. Bisweilen glaubte ich jedoch, bei ihm einen gewissen Vorsatz zu bemerken, sich nicht einzumischen, mir nichts zu entlocken und sogar, mir nicht zuzuhören, wenn ich zu irgendeinem Bericht über meine Aufgaben ansetzte, als wollte er nichts wissen oder als machte es ihn neidisch, draußen zu sein – das war möglich, während jemand wie ich drinnen war, ein Ausländer schließlich, ein Zugereister – oder als wäre er etwas gekränkt darüber, daß wir weniger Umgang miteinander hatten und er das mit seiner Vermittlertätigkeit, seinen Intrigen und Einflußnahmen selbst begünstigt hatte. Ich bemerkte an ihm nie eine Spur von Bitterkeit oder Sarkasmus sich selbst gegenüber oder von Groll meiner Ferne wegen, aber doch so etwas wie die Mischung aus Betrübnis und Stolz oder aus gedämpfter Reue und verhaltener Genugtuung, von der die Beschützer manchmal befallen werden, wenn ihre Schützlinge sich emanzipieren, oder die Lehrer, wenn sie sich von ihren Schülern an Kühnheit, Talent oder Berühmtheit übertroffen sehen, obwohl die einen wie die anderen tun, als wäre das niemals geschehen und als werde es auch nicht dazu kommen, solange sie leben.
    Am meisten interessierte er sich noch für Pérez Nuix, im Rahmen seiner allgemeinen Distanznahme zu der Gruppe, der er in anderen und so fernen und so unterschiedlichen Zeiten angehört hatte. Ich war nicht sicher, ob es daran lag, daß er Tupra so viel von ihren Qualitäten hatte sprechen hören (›Dieses halb spanische, so kompetente Mädchen, das er hat‹, so hatte Wheeler sich auf sie bezogen, als ich sie noch nicht kannte, ›ich kann mich nie erinnern, wie sie heißt, er sagt, sie wird die Beste von allen sein, wenn er es fertigbringt, sie zu halten.‹ Und er hatte hinzugefügt, als erinnerte er sich an eine andere: ›Das ist eine der Schwierigkeiten, die meisten werden überdrüssig und geben rasch auf‹) oder weil er irgendwann gedacht hatte, daß ich mit der jungen Frau eine Verbindung eingehen und so aus meiner gefühlsmäßigen Erstarrung und meinen gelegentlichen sexuellen Eskapaden herausfinden könnte, die sehr viel seltener waren, als er vermutete, die Alten neigen dazu, alle, die in ihren Augen im Mannesalter und daher noch immer jung sind, für freizügig – ich meine erfolgreich, aktiv – zu halten. Wheeler sah, daß die Monate vergingen und daß die Situation mit Luisa nicht besser wurde, was ihm am liebsten gewesen wäre – es rührte sich nichts; nicht

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