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Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Titel: Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marias
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das geringste Schwanken, nicht einmal eines von der Sorte, bei der die Türen am Ende noch fester verschlossen sind als zuvor; aber es gibt immerhin eine leichte Unruhe, solange sie einen Spalt offenstehen –, so daß er aus der Ferne tastend, wenn nicht blindlings mit ein wenig Naivität und respektvollem Paternalismus als Heiratsvermittler agierte, nur ganz vorsichtig, sobald in unseren Gesprächen ein weiblicher Name auftauchte, und der von Patricia Pérez Nuix war zwangsläufig der beständigste und dauerhafteste.
    ›Wie kommst du persönlich mit ihr aus? Gibt es so etwas wie Kameradschaft zwischen euch?‹ fragte er mich einmal. ›Entgegen der allgemeinen Überzeugung ist Kameradschaft ja das Beste, was man mit dem anderen Geschlecht haben kann, sie ist das wirksamste Mittel für Eroberungen und führt auch am weitesten.‹ Ein andermal erkundigte er sich nach ihren Fähigkeiten: ›Interessiert dich das Gespräch mit ihr, ihre Sicht der Dinge, die Einzelheiten, auf die sie achtet? Ist sie so gut, wie Tupra behauptet? Bist du gern mit ihr zusammen?‹ Und bei dritter Gelegenheit war er noch direkter oder neugieriger: ›Ist dieses Mädchen hübsch? Also, von ihrer Jugend abgesehen. Zieht sie dich an?‹
    Und ich hatte ihm jedes Mal geantwortet, nicht lebhaft, aber zuvorkommend: ›Ja, es gibt sie, in Anfängen, ich meine, es könnte sie geben. Aber es ist noch zu früh dafür, wir haben uns in keiner eindeutigen Situation befunden, in der es darum gegangen wäre, uns zu helfen, einander aus einer Bedrängnis oder einer Klemme zu retten, solche Dinge schaffen Kameradschaft. Oder die lange Gewohnheit, die Zeit, die man nicht mehr bemerkt.‹ Und dann: ›Ja, sie ist gut, sie sieht viel und differenziert; sie nuanciert, aber ohne Verschnörkelungen, sie ergeht sich nicht darin und betreibt keine Selbstdarstellung; dafür ist sie unterhaltsam, wenn ich mit ihr zusammen deute, dann werde ich gewöhnlich weder ungeduldig noch langweile ich mich, ich höre ihr immer bereitwillig zu, und das kostet mich keine Mühe.‹ Und weiter: ›Ja, sie ist recht hübsch, nicht übermäßig. Aber sie hat Humor, sie ist sinnlich und lacht viel, was an den Frauen so oft das Anziehendste ist. Sie zieht mich nicht in dem Maße an, daß ich Anstrengungen unternehmen würde, wie ich sie nicht mehr zu unternehmen pflege, und selbst einen Schritt in diese Richtung tun würde, aber sagen wir, ich müßte mich nicht überwinden, wenn sich mir die Gelegenheit aufdrängte.‹ Ich erinnere mich, daß ich für den ganzen Satz das Spanische benutzte, es gibt in anderen Sprachen nichts, was sich mit ›no hacer ascos‹ messen könnte, und ich fügte hinzu: ›Es ist nicht mehr als eine Hypothese: es geht mir nicht im Kopf herum, ich nehme es mir nicht vor. Das wäre auch unangebracht, sie ist sehr viel jünger als ich. Theoretisch ist sie für mich nicht in Reichweite.‹
    Wheeler antwortete mit aufrichtigem Erstaunen:
    ›Ach nein? Seit wann setzt du dir Grenzen? Seit wann stehst du dir selbst im Weg? Wenn ich nicht irre, bist du jünger als Tupra, und soviel ich weiß, tut er das nicht, weder in diesem noch in sonst einem Bereich.‹
    Vielleicht sagte er das ganz allgemein, vielleicht bezog er sich konkret auf die vergangene Liaison zwischen Tupra und Pérez Nuix, über die ich so heftig spekuliert hatte. Seine Äußerung untermauerte meinen Verdacht noch weiter.
    ›Wir sind nicht alle gleich, Peter‹, antwortete ich. ›Und je älter wir Menschen werden, umso größer die Unterschiede, nicht? Sie müßten das wissen. Tupra und ich, wir sind sehr unterschiedlich. Sicher waren wir das schon immer, schon seit unserer Kindheit.‹
    Doch er ging nicht darauf ein oder nahm es nicht ernst.
    ›Ach, komm, komm. Du wirst mir nicht weismachen können, daß du in deinem Alter noch schüchtern geworden bist, Jacobo. Oder daß du einen Alterskomplex bekommen und diese Art Skrupel entwickelt hast. Was machen schon zehn oder zwanzig Jahre mehr? Wenn die Leute erwachsen sind, dann sind sie es für immer, und von da an wird alles sehr rasch gleich. Da gibt es keine Umkehr, zum Glück, obwohl manche Leute nie erwachsen werden, weder im Hinblick auf das Leben noch in intellektueller Hinsicht, es gibt immer mehr davon, und sie sind eine Pest, ich kann sie nicht ertragen, die Geschäfte, Hotels und Büros und sogar die Krankenhäuser und Banken sind voll von ihnen. Und das ist Absicht, es ist gesellschaftlich verursacht. Ich verstehe zwar nicht, warum, aber

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