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Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Titel: Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marias
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uns beiden sie vermied oder vor Schrecken zusammenfuhr, es waren so wenige Zentimeter Entfernung, und alles ist eine Frage von Zeit und Raum und davon, in beiden zusammenzutreffen, die Zeit hatten wir schon und fast auch den Raum, es fehlte nur noch ein leichtes Hingleiten, um ihn ganz auf unserer Seite zu haben, eine minimale Verlagerung, das war so einfach, es schien unmöglich, daß es nicht dazu kommen sollte, vielleicht ein sachtes vorheriges Tasten, und sogleich wäre mein Glied in ihr Geschlecht geglitten und beide befänden sich am gleichen Ort, das eine im Innern des anderen, so als bemerkten wir es nicht, wir könnten sogar so tun, als ob wir es nicht bemerkten, und weiter schlafen, obwohl wir beide hellwach wären, das wußte ich von mir und glaubte es von ihr; fest, aber ohne Gewißheit natürlich, und das war das Hemmnis, oder eines von mehreren.
    Daß eine Situation so unausgesprochen auf Sex hinauszulaufen schien, war mir nicht neu, das heißt, mit der jungen Pérez Nuix schon, aber nicht in meinem Leben, mehr als einmal war es mir mit Luisa so ergangen, am Anfang still und ruhig war es zu dem sachten vorherigen Tasten und der minimalen Verlagerung gekommen, die uns in Raum und Zeit zusammengeführt hatte, und eben das entscheidet und zählt bei allem, was wichtig ist, und deshalb ist es bisweilen von so grundlegender Bedeutung, not to linger or delay , nicht zu warten und sich nicht aufzuhalten, obwohl dies auch sein kann, was uns rettet, wir wissen nie, was uns nützt und was gut für uns ist, niemand stirbt, wenn nicht am gleichen Ort und im gleichen Augenblick die Kugel und seine Stirn oder das Messer und seine Brust oder die Schneide des Schwertes und sein Hals zusammentreffen, und aus diesem Grund lebte De la Garza noch, weil sein Hals und Reresbys Landsknechtsschwert oder sein Katzbalger nicht genau zusammengetroffen waren, obwohl sie mehrmals kurz davorgestanden hatten. Doch in jenen Momenten mit Luisa war die Zustimmung sicher, oder fast, und Druck und Anregung waren sehr wohl zu erwarten, schließlich gingen wir jeden Abend in dasselbe Bett, sie früher und ich später, so als näherte ich mich, um sie in ihren Träumen aufzusuchen, oder als wäre ich ihr Gespenst, und alles übrige gehörte in den Bereich des Vorhersehbaren und Wahrscheinlichen oder zumindest des Möglichen. Und wenn es zu einer Verweigerung kam, von ihr oder sogar von mir, dann war es eine durch die Umstände bedingte, überlegte und momentane Zurückweisung (›Heute bin ich todmüde‹, sagte sie etwa, oder ich: ›Heute geht’s mir nicht gut, ich bin mit dem Kopf woanders‹, oder, noch unbedeutender, der eine oder der andere: ›Morgen muß ich ganz früh raus‹), keine grundlegende Absage, weder insgesamt noch an den Akt selbst, wie sie durchaus von der jungen Pérez Nuix kommen konnte, mit eindeutigen, niederschmetternden Worten: ›Was machst du denn da, was fällt dir überhaupt ein?‹ oder mit sanfteren, diplomatischeren: ›Laß das lieber, das kann ich dir nicht raten, du wirst damit nicht weit kommen‹ oder mit anderen, demütigenderen: ›Na sowas, ich hätte dir ja mehr Selbstbeherrschung zugetraut, mehr Reife, ich hätte nicht gedacht, daß du auch so ein notgeiler Spanier bist, so einer von früher.‹
    Es kam nicht zu diesen verletzenden Worten, und es fielen auch keine anderen, als ich schließlich die Berührung wagte und mein Glied leicht gegen ihre Hinterbacken drückte und augenblicklich nicht das T-Shirt, sondern die Festigkeit und Wärme ihres Fleisches spürte, sie war eine von diesen unweigerlich verfrorenen Frauen, die die Wärme abgeben, die sie selbst nicht fühlen, sie sind wie Öfen für denjenigen, der ihnen nahe ist und sie berührt, obwohl ihnen vielleicht kalt ist, wie jemand, der Fieber hat. Es fiel kein Wort, noch kam irgendeine Reaktion, keine Annäherung und kein Rückzug, keine Abwehr und keine Ermutigung, es war, als wäre sie wirklich tief eingeschlafen, ich fragte mich, ob das so weit gehen konnte, daß sie den Kontakt von Haut zu Haut, ganz ohne vermittelndes Element, nicht bemerkte, ich glaubte nicht, daß das möglich war, sie mußte sich verstellen, aber man hat in nichts, in fast nichts absolute Gewißheit, was die anderen betrifft, und vielleicht nicht einmal in dem, was einen selbst betrifft. Ich rückte ein wenig näher, erhöhte ein wenig den Druck, so wenig noch, daß ich nicht einmal die Gewißheit hatte, es getan zu haben, manchmal glaubt man, seine Position

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