Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Titel: Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marias
Vom Netzwerk:
berauben.
    »Das Sofa nehme ich«, sagte sie. Aber als sie dann noch einmal hinsah und es unbequem fand und vielleicht noch etwas naß durch sie selbst und den Regen, den sie mitgebracht hatte, schlug sie vor, was sie kraft ihres Alters und ihrer Ungezwungenheit vorschlagen konnte: »Es wird uns auch nicht schaden, wenn wir beide in dem Bett schlafen, natürlich nur, wenn es dir nichts ausmacht. Mich stört es sicher nicht. Ist es denn breit genug?«
    Natürlich machte es mir nichts aus, meine Jugend hatte sich in einer Zeit abgespielt, in der man sich in jedes Bett legte, auch mit Leuten, die man gerade erst kennengelernt hatte, wo es sich eben ergab nach einer wilden oder gewollt ekstatischen oder vermeintlich spirituellen oder durchzechten Nacht, in den so angestrengt spontanen und so gar nicht gepflegten, bisweilen geradezu schmuddeligen siebziger Jahren und in einem Teil der achtziger, die ihnen noch glichen. Und natürlich machte es mir etwas aus, ich war nicht mehr dieser junge Mann und schlief gewöhnlich auch nur in meinem eigenen Bett und war seit zu vielen Jahre daran gewöhnt, es nur an Luisas Seite zu tun, nicht einmal an der meiner kurzlebigen, dummen Geliebten, die vieles von dem kaputtgemacht hat, was da war oder sich wie ein Schatz angesammelt hatte, obwohl Luisa nie mit Sicherheit von ihr gewußt hat; und später, in London, nur sporadisch an der Seite von ein paar Frauen – genau gesagt, waren es bislang drei –, mit denen es schon vorher zu Unreinlichkeit gekommen war oder zu Schmuddeligkeit, wenn man so will, und bei denen daher keine Gefahr bestand, sie zum ersten Mal im Traum oder im Halbschlaf erkunden oder mit verhaltenem Atem und wie zufällig ihre Berührung suchen oder sie im Dunkeln, aber mit wachen Sinnen und weit geöffneten, nutzlos intensiven Augen beobachten zu wollen.
    So kam es, daß ich mich mit der jungen Pérez Nuix im Bett wiederfand, so wach angesichts ihrer Wärme, ihrer Gegenwart, daß es mir nur mit großer Mühe gelang, einzuschlafen, und noch mehr hielt mich die Frage vom Schlafen ab, ob es ihr ebenso erging, ob sie eine größere Nähe von mir erwartete oder fürchtete, eine allmähliche, verschwiegene, anfänglich so wenig spürbare Annäherung, daß man an ihr hätte zweifeln können, wie bei den Bus-, Straßenbahn- oder Metrograpschern, die sich unter dem Vorwand des Gedränges und Geschaukels schließlich an der leidgeprüften Brust der erwählten Frau rieben oder sich nachgerade an sie drückten, immer, ohne die Hände zu benutzen – also ist das Wort ›Grapscher‹ nicht ganz passend – und sich daher auf die Unfreiwilligkeit ihrer Reibereien herausreden konnten, die in jedem Fall auf den überwältigenden Druck der Masse und die Kurven und das Gerüttel zurückzuführen waren. Wenn ich davon in der Vergangenheit spreche, dann deshalb, weil ich diesem peinlichen Schauspiel seit geraumer Zeit in keinem öffentlichen Verkehrsmittel mehr beigewohnt habe und nicht weiß, ob es das in diesen Zeiten noch gibt, die nur hierin respektvoller sind; in meiner Kindheit und Jugend habe ich es dagegen oft gesehen, und ich schließe nicht einmal aus, daß ich mich mit meinen dreizehn oder vierzehn Jahren an irgendeiner schüchternen Variante davon beteiligt habe, wenn im Kopf werdender Männer alles imaginärer oder fehlgeschlagener Sex ist. Und weil ich solche Szenen mit dieser fernen Vergangenheit verbinde, sind mir die Straßenbahnen wohl eingefallen, die seit Jahrzehnten nur als Geister existieren, ebenso wie die angenehmen zweistöckigen Madrider Busse, die genau wie die in London waren, bis man diese vor kurzem aus dem Verkehr zog, nur blau statt rot und mit türlosem Eingang – nur eine vertikale Stange, an der man sich festhalten und hochziehen konnte –, rechts und nicht links, also auf der Seite, auf der in meinem Land der Straßenverkehr verläuft.
    Auch Geschlechtsteile sind türlose Eingänge, ich meine, wenn sie von der Kleidung befreit sind, muß man sie nicht mehr öffnen, um in sie einzudringen, die weiblichen Geschlechtsteile, versteht sich. Ich ließ sie zuerst ins Bett gehen, allein, ich wartete eine Weile im Wohnzimmer, damit sie sich fertig machen und nach Belieben umziehen konnte, so daß die junge Pérez Nuix, als ich schließlich nach einigen Minuten im Schlafzimmer auftauchte, schon unter den Laken lag und ich nicht sehen konnte, welche und wie viele Kleidungsstücke sie abgelegt hatte, um ins Bett zu gehen. Ich hatte ihr ein sauberes

Weitere Kostenlose Bücher