Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied
Schwächen zu kennen oder Vergeltungsmaßnahmen gegen die Schläger zu ergreifen. Glaub nicht, daß wir uns in der Gruppe viel von unseren persönlichen Problemen erzählen. Pat erzählt fast nichts. Ohne das Video hätte ich nur die Hälfte mitbekommen. Sie hat mir nur erzählt, daß ihr Vater einen Unfall hatte und im Krankenhaus lag. Wir pflegen Berufs- und Privatleben nicht zu vermischen, das kennst du ja schon.«
»Und ihr habt sie nicht ergriffen, die Vergeltungsmaßnahmen? Auch in diesem Fall habt ihr nichts unternommen? Und warum bewahrst du das Band auf?«
»Hier wird nichts weggeworfen, das habe ich dir schon gesagt, es wird nichts ausgehändigt und nichts zerstört, diese Tracht Prügel ist hier in Sicherheit, sie ist nicht dazu bestimmt, daß sie jemand sieht. Vielleicht ist es aber eines Tages angebracht, sie Pat zu zeigen, wer weiß, um sie von etwas zu überzeugen, daß sie bleibt, daß sie uns nicht verläßt. Vergeltungsmaßnahmen, das lohnt sich im Augenblick nicht, diese vier sind Niemande, sie tun das, wie sie hundert andere Sachen für hundert verschiedene Herren tun, und früher oder später fallen sie ganz von selbst, man muß ihnen nicht hinterher sein, sie sind für das Gefängnis gemacht. Was die Hintermänner betrifft, wartet man besser, wie so oft, einen größeren künftigen Nutzen ab, das habe ich dir ja schon erklärt.«
»War es das, was ich sehen sollte?« Ich wußte, daß es nicht so war, wenn es so gewesen wäre, hätte er es nicht im Schnelldurchlauf abgespielt und damit riskiert, daß ich nichts sagen und ihm so keine Gelegenheit geben würde, mich aufzuklären. Ihm blieb noch mehr Gift, das er mir einträufeln, oder mehr Qual, der er mich aussetzen wollte.
»Nein, das ist es nicht. Auf geht’s, machen wir weiter.«
Und es erschienen weitere rasche, wenn auch nicht zu rasche Szenen, stumm, ich konnte weiterhin das Wichtigste sehen, ich sah, wie ein Mann einen anderen anbrüllte, der in einem Auto saß, in einer Garage, ich meine eine private, kein öffentlicher Parkplatz, er brüllte ihn an, stehend, nach vorne gebeugt, einen Ellbogen im offenen Fenster, der wohl den anderen daran hindern sollte, es hochzukurbeln, die beiden Gesichter so nahe, daß er ihn wahrscheinlich mit Speichel besprühte, ich sah, wie er eine Pistole aus dem Jackett zog, in einer sehr raschen Bewegung, und den Lauf unter das Ohrläppchen seines Gegners oder Streitopfers drückte, ich sah, wie er nicht einmal drei weitere Sekunden brauchte, um den Hahn zu drücken und ihm dort unter das Ohrläppchen zu schießen, aus nächster Nähe. Ich hob die Hand an die Augen, um es nur zwischen den Fingern hindurch zu sehen, das ist Quatsch, ich sah Blut spritzen und kleine Knochen, aber so meint man, weniger zu sehen oder jeden Augenblick nichts mehr zu sehen, obwohl dieser Augenblick nicht kommt, weil die Finger sich nie ganz schließen. Das Blut besudelte den Mörder, es schien ihm nichts auszumachen, vermutlich hatte er eine Dusche in der Nähe oder ein frisches Hemd, einen anderen Anzug in seinem Wagen, oder womöglich war das seine Garage, die seines Hauses, er machte kehrt und trat aus dem Bild, während er sich die Pistole zurück in die Tasche steckte, es war eine sehr kurze Sequenz, aufgrund der Hose – ein wenig kurz und eng, grau, aber glänzend – hätte ich gesagt, daß er Amerikaner war, damit Tupra das Video aufbewahrte, mußte er vom CIA sein oder so was, von der Armee, ich verzichtete darauf, Fragen zu stellen, vielleicht saß er mittlerweile in der Führungsspitze, wer wußte überhaupt etwas, vermutlich wußte es Reresby.
Ohne Unterbrechung sah ich einen Tod durch Hammerschläge, oder ich schloß, daß es ein Tod war, eine Frau schwang die Waffe, etwas über dreißig, sie trug einen Rock und Stöckelschuhe und ein Perlenkollier, das über einem engen Wollpullover baumelte, wobei die drei Kleidungsstücke in verschiedenen Grüntönen aufeinander abgestimmt waren, sie schien den fünfziger oder frühen sechziger Jahren entsprungen zu sein, eine Sekretärin oder Geschäftsfrau oder Mitarbeiterin einer Bank, jedenfalls eine Büroangestellte, sie fällte einen um einiges größeren Mann mit einem brutalen Hammerschlag gegen die Stirn, er war in meinem Alter oder in dem Tupras, aber schwerer und breiter als wir, sicher in einem Hotelzimmer, der stämmige Mann fiel auf den Rücken, und sie setzte sich rittlings auf ihn und schlug weiter mit dem Hammer auf ihn ein, immer auf den Schädel, deshalb
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