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Dein Gesicht morgen / Fieber und Lanze

Dein Gesicht morgen / Fieber und Lanze

Titel: Dein Gesicht morgen / Fieber und Lanze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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einzige vergleichbare. Man kennt ein sehr junges Mädchen mit seinem Ehrgeiz, der so unversehrt ist, daß man noch nicht einmal wissen kann, ob sie ihn hat oder nicht, erinnere ich mich, während ich Wheeler zuhöre. Ihre Schüchternheit macht sie hermetisch, so sehr, daß man nicht sicher ist, ob diese Schüchternheit nicht nur vorgetäuscht ist, eine abweisende Maske. Sie ist die Tochter eines befreundeten spanischen Ehepaares, das man besucht, die Eltern zwingen sie, zu grüßen, wenigstens eine Weile dabei zu sein, mit dem Gast und mit ihnen zu Abend zu essen. Das junge Mädchen will nicht gekannt und nicht einmal gesehen werden, sie ist widerwillig da, spiegelt Gleichgültigkeit und Desinteresse für die Welt vor, hofft, daß die Welt, die es ihr in ihren Augen schuldet, sich für sie interessiert, sie hofiert und sucht und sogar entschädigt, doch sie empfindet ungeheuren Verdruß, wenn der Freund ihrer Eltern (der für sie nicht Teil der Welt ist: sie hat ihn assimiliert und ausgeschlossen) ihr mit beharrlicher Neugier begegnet, sie aus Sympathie beobachtet, sie ausfragt, um ihr zu schmeicheln. Sie ist eine vage beleidigte Sphinx, oder vielleicht ist sie furchtsam oder verletzbar und fragend oder falsch, eine Betrügerin. Unmöglich, sie zu erraten, sie will, daß man sie beachtet, und sieht es zugleich als Einmischung, sie erträgt es nicht, wenn es von jemandem kommt, der nicht zählt, von einem, dem es nach ihrer Wahrnehmung und ihrem Empfinden nicht zusteht, sie zu beachten. Sie ist nicht unsympathisch, sie kann es nicht sein, oder so weit bringt sie es nicht, wer mit seinem hübschen Gesicht errötet, vermag es nie ganz zu sein, aber man kann sich nicht vorstellen, was sich hinter dem Helm ihrer großen Jugend verbirgt, so als trüge sie das Visier heruntergeklappt und als wären von ihren Augen nur die Wimpern zu sehen. Das Unreife und das Unfertige ist das Unergründlichste, wie die wenigen Striche einer unvollständigen, rasch aufgegebenen Zeichnung, die nicht einmal Vermutungen über die Figur zulassen, die sie gestalten wollten oder auf die sie ausgerichtet waren. Und doch erscheint fast immer etwas am Ende, sagt Wheeler. Selten ist der Mensch, vor dem man endgültig im dunkeln tappt, selten ist der Fall, in dem nicht nach einiger Zeit unserer Beharrlichkeit eine Figur entsteht, auch wenn sie verschwommen oder sehr schwach ist, oft ganz verschieden von der, die man erwarten konnte, häufig fern, außerhalb der ersten Striche oder nicht zu ihnen passend, nicht selten ohne Zusammenhang. Man gewöhnt sich an das Dunkel jedes Gesichts oder Menschen oder Lebens oder jeder Vergangenheit oder Geschichte, man beginnt, nach unermüdlichem Spähen die Schatten zu unterscheiden, das Halbdunkel tritt hervor, und dann erfaßt man schon etwas, erkennt man schon: dann hört die Mutlosigkeit auf oder sie erfaßt und übermannt uns, je nachdem, was wir zu sehen oder nicht zu sehen hofften, je nachdem, in wem wir welche Züge oder Affinitäten entdecken, oder es sind nur unsere eigenen Spuren und Reminiszenzen. Wer bereit ist zu sehen, wird am Ende fast immer sehen, ganz zu schweigen von dem, der darauf besteht oder daraus seinen Beruf macht, wie du und ich, du glaubst, daß du nicht angefangen hast, aber du hast schon lange angefangen, nur, daß du nicht bezahlt wurdest, und das wirst du jetzt, sehr bald; aber du lebst längst so. Wir sind so wenige, die wir den Mut und die Geduld haben, weiter zu sehen (»Komm, los, beeil dich, denk weiter und sieh weiter über das Notwendige hinaus, auch wenn du fühlst, daß es nichts mehr gibt, nichts mehr zu denken, alles gedacht, nichts mehr zu sehen, alles gesehen«), dem auf den Grund zu gehen, was sich glatt und undurchsichtig und dunkel wie ein schwarzes Wappenfeld darbietet, eine kompakte Finsternis. Aber plötzlich gewahrt man eine Geste, eine Betonung, einen Funken, ein Zögern, ein Lachen, einen Tick, ein schiefes Auge, es kann alles mögliche sein, noch dazu das Allergeringste. Etwas hört oder sieht man, irgend etwas, man sieht es bei der jungen Tochter des befreundeten Ehepaares, etwas, das man wiedererkennt und assoziiert, das man vorher bei jemandem gehört oder gesehen hat, denke ich, während Wheeler sich erklärt. Man sieht bei dem Mädchen den gleichen hochmütigen und grausamen Ausdruck voller Komplexe, den man so oft bei einem älteren, fast alten Mann gesehen hat, einem Zeitschriftenherausgeber, mit dem man zu lange gearbeitet hatte, ein einziger Tag mit ihm

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